Nur die Meteorologen haben ein bisserl gelogen
Tour solo, T3, 23,94 km, 871 m Aufstieg, 776 m Abstieg, 9 1/2 h, Ausgangspunkt Nová Pec (PT)
Gut, die Sommersonnenwende ist schon eine Woche her. Aber ich wollte noch einen anderen Anlass abwarten, bis ich zu meiner diesjährigen Großen ÖV-Tour a.k.a. Königstour in den Šumava aufbrach. Und sie ist wahrhaft königlich, die Hochwaldüberschreitung, angefangen mit der landschaftlichen Vielfalt, weitergemacht mit den eigentlich möglichen Ausblicken vom Kamm aus bis hin zu den vielen historischen und literarischen Referenzen der Strecke. Da lässt es sich auch verschmerzen, dass einige Abschnitte alles andere als einsam sind, richtig schade war hingegen, dass zwischen eins und vier (© Rainhard Fendrich) entgegen der Versprechungen sämtlicher Online-Wetterdienste ziemlich viele Wolken am Himmel waren und die Qualität der Fotos vom Kamm deutlich beeinträchtigten.
Ich startete aufgrund der Angabe im ADAC-Routenplaner, dass knapp drei Stunden nach Haidmühle nötig wären und unterwegs zwei Umleitungen angesagt sind, bereits um sechs Uhr, um sicherzustellen, dass ich mit genug Zeitreserve bis zur Abfahrt des Zuges in Nové Údolí ankommen würde. Als Ergebnis stieg ich bereits eine Dreiviertelstunde vor dieser Abfahrt am Grenzparkplatz in Haidmühle aus dem Auto, und das, obwohl ich, wie ich auf der Rückfahrt feststellte, über Mauth noch einmal sechs Kilometer eingespart hätte. Immerhin war das kleine Café im alten Güterwaggon bereits geöffnet und ich bekam einen Zelené čaj, also Grünen Tee. Nach einer Viertelstunde kam der Zug aus Volary an, drei Minuten später gab es noch einen letzten heftigen Regenschauer (der ebenfalls nicht vorhergesagt war) und fünf vor neun wusste ich, warum der Zug so lange in Nové Údolí stehenblieb. Die Lok wurde von hinten nach vorne umgekoppelt, das alles über ein kurzes Ausweichgleis und allein vom Lokführer, der die Weichen von Hand umstellte, abkoppelte und und und. Nur bei der Wiedereinfahrt in den Bahnsteig half ihm die Zugbegleiterin, indem sie ihm anzeigte, wann er stehenbleiben musste. Herrlich. Ich suchte mir einen Sitzplatz im Panoramaabteil und wurde kurz nach Fahrtbeginn vom zweiten Zugbegleiter um ganze 29 Kronen erleichtert. Gerechnet hatte ich laut Internetauskunft mit 38, da hat sich der junge Mann wohl vertippt. Die Strecke ist wunderschön, zwar teilweise durch den Wald, aber spätestens ab Černý Kříž gab es auf der linken Zugseite die Moldau zu bewundern. Mit etwas (verschmerzbarer) Verspätung erreichte ich Nová Pec und konnte mit der eigentlichen Tour beginnen. Ab jetzt fasse ich mich bezüglich der Strecke wieder kurz, dafür gibt es ja Kartenausschnitt und GPS-Track. Bis zur Grenze konnte ich meine Stöcke nicht brauchen, alles Asphalt. Der Wanderparkplatz in Láz war gut gefüllt, aber alle dort Parkenden waren wohl zum Plešné jezero hinaufgegangen. Der Schwarzenbergkanal, dem ich etwa zwei Kilometer folgte, ist viel schmäler als der Chinitz-Tettauer Kanal bei Modrava, dafür aber etwa fünf mal so lang. Besonders beeindruckend ist neben dem Tunnel bei Jelení, den ich sicher auch noch besuchen werde, die Brücke über den Rossbach gleich hinter der Kreuzung, an der die Rakouská cesta nach Süden abbiegt. Dieser Weg führt enstprechend seines Namens nach Österreich (tschechisch Rakousko), an dessen Grenze gleich zwei identische Unterstellhäuschen und mehrere Hinweise auf die Freundschaft der Nachbargemeinden Nová Pec und Klaffer am Hochficht stehen. Wenn diese Freundschaft auch richtig gelebt wird, ist das brav. Ab hier waren die Stöcke endlich verwendbar und sehr nützlich, weil der Grenzsteig bis zum Plöckensteingipfel erstens teilweise sehr steil und zweitens teilweise recht sumpfig ist. Oben auf dem Kamm war etwas weniger los, aber an der Abzweigung hinunter zum Plešná jezero kamen von unten zwei laut ratschende Österreicherinnen herauf, die, wie sich herausstellte, meine letztjährige Runde effektiv einfach umgedreht hatten. Gar nicht dumm, denn im Aufstieg ist der Grenzsteig in diesem Abschnitt deutlich angenehmer zu gehen als im Abstieg. Ich nahm noch ein paar Nebengipfelblöcke mit, um die vielen gipfellosen Etappen der Goldenen Straße zu kompensieren und erreichte trotzdem kurz nach drei den Dreisessel. Erst Gipfel, dann Einkehr, und hier war es erst einmal vorbei mit der Ruhe. Ich habe weder etwas gegen Senioren noch gegen Holländer, aber die Busladung holländischer Senioren war doch etwas anstrengend, vor allem aufgrund der Lautstärke ihrer Unterhaltungen. Und ja, ich habe etwa die Hälfte von dem, was klar in meine Ohren fand, verstanden. Wenigstens war das Chili zwar nicht übertrieben viel, aber sehr wohlschmeckend und hatte auch die richtige Schärfe. Um vier verschwanden sowohl die Wolken als auch die Holländer, also genehmigte ich mir noch ein zweites Dunkles (Hutthurmer, also gehobener Durchschnitt) und unterhielt mich noch nett mit zwei älteren Damen aus Marktheidenfeld, die mir dann noch anboten, dass ich mit ihnen nach Haidmühle hinunterfahren könnte. Ich habe selbstredend dankend abgelehnt. Um fünf machte der Wirt Feierabend und ich mich auf den Weiterweg, zunächst auf den Hochstein und dann den Grenzsteig hinunter und holte dabei noch jede Menge Fotos nach. Dabei zeigte sich, dass sowohl im Nationalpark als auch Richtung Alpen die Wolken hängengeblieben waren und die Aufnahmen in diese beiden Richtungen weniger gut blieben. Unterwegs verlor ich wieder einmal ein Handtuch, kam aber trotzdem um halb acht heil in Nové Údolí an. Dass es sich hier um eine Wüstung handelt, hatte ich bis dahin irgendwie verdrängt, konnte aber die Tatsache auf dem letzten Kilometer richtig auskosten. Auf dem Rückweg vergewisserte ich mich noch über die Sperrzeiten der Böhmstraße von Neuschönau hinauf nach Waldhäuser und hatte gleich hinter Viechtach richtig Glück, dass das Reh von rechts kam. Sonst hätte ich es nicht um einen halben Meter verfehlt, sondern voll erwischt und stünde jetzt mindestens ohne Auto da.
Mittlerweile kann ich aber die Nachwirkungen der Tour voll genießen und habe zum Schluss noch eine kleine Auffälligkeit. Entgegen meiner Erwartung sind die Grenzsteine zwischen Tschechien und Österreich auf der österreichischen Seite nicht mit „A“, sondern mit „Ö“ beschriftet. Wurde da wohl das Grenzministerium in Wien zu oft angerufen, wie viel denn die Grenzsteine bei C&A kosten?
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