Bergpoesie einer Bergpoetin

Oder ist Waldpoesie einer Waldpoetin zutreffender?

Der spektakulärste Steig des Šumava

Tour solo, T2, 21,16 km, 392 m Aufstieg, 423 m Abstieg, 7 1/2 h, Ausgangspunkt Stožec (PT)

Für den bestandenen Gesundheitswanderführerlehrgang wollte ich mich natürlich etwas belohnen. Außerdem musste ich den Bärensteig (Medvědí stezka) noch für die Wanderwoche im September erkunden, weil im Rother-Wanderführer etwas von sehr unübersichtlich drinsteht. Auch hatte ich die leise Befürchtung, dass er dem Königsteiner Felsensteig ähneln könnte und somit für Bernd und die Kurzwanderer ungeeignet wäre. Also startete ich in Stožec und visierte den Zug kurz nach 18 Uhr ab Nová Pec für die Rückfahrt an.

Der Charakter dieser Tour ist klar zweigeteilt. Während die erste Hälfte von Stožec nach Jelení Vrchy eine ganz lockere Angelegenheit auf meist geschotterten, teilweise leider auch asphaltierten Forstwegen, ab dem Abzweig Ministerka entlang des Schwarzenbergschen Schwemmkanals ist, wird es danach richtig spektakulär und durchaus auch anspruchsvoll. Das soll aber nicht heißen, dass der erste Teil völlig ohne Reize ist. So sind sowohl Stožec als auch Jelení Vrchy ganz reizvolle Dörfer mit exzellenten Einkehrmöglichkeiten, die ich allerdings rechts liegen gelassen habe. Was nicht war, wird aber sicher noch werden. Auch dazwischen gibt es immer wieder reizvolle Punkte wie im Tal der Studená Vltava (Kalte Moldau), in dem ich die ersten beiden Kilometer unterwegs war. Oder aber am Schwemmkanal die eine oder andere Schleuse, wenn ein Bergbach kreuzt, teilweise sogar mit Rasthütte. Dazu kommt kurz vor Jelení Vrchy dass genialste Bauwerk aller Triftkanäle im Böhmerwald, nämlich der knapp 400 Meter lange Tunnel, der den Kanal durch die Passhöhe zwischen dem Tal der Hučina und dem Jelenské údolí führt. Über dem Tunnel sind zwar vielleicht fünf Meter Gestein, aber die hätten ausgereicht, um die Holztrift nach Österreich absolut zu verunmöglichen. Nach Jelení Vrchy wird es ganz anders. Das heißt, nicht sofort. Denn zunächst geht es auf einem geschotterten Stück hinauf zum Jelení jezírko, einem weiteren Triftteich. Kurz vor diesem zweigt der Wanderweg rechts ab auf einen Waldweg, während die Radfahrer geradeaus weiterfahren müssen und das Perníkmassiv nördlich umrunden. Der See ist hübsch, kann aber nicht mit der Reschbachklause auf der bayerischen Seite mithalten. Danach geht es richtig los, der gut erkennbare und gewohnt präzise markierte Waldweg steigt erst einmal spürbar, aber nicht giftig, an, bis nach etwa einer Viertelstunde mit dem Gipfelmassiv des Perník die erste Felsformation auftaucht. Hier kann man einfach durchgehen, etwas verwinkelter durchgehen oder auch hinaufsteigen. Ich wählte Option zwei, zum Klettern war es mir nach einem kleinen Regenschauer am Vormittag zu nass, vor allem im Hinblick auf meine nach 2000 Kilometern definitiv erneuerungsbedürftigen Sohlen. Und so ging es die nächsten sechs Kilometer bis kurz vor Ovesná weiter, eine Felsformation jagte die andere, die Kamera kam trotz mittelprächtiger Lichtverhältnisse richtig ins Schwitzen. Dann kommt ein kurzer, sehr steiler und verwurzelter Abstieg und der Waldweg mündet wieder in den Radweg. Von hier aus sind es noch knapp 500 Meter nach Ovesná, wo man theoretisch bereits in den Zug steigen kann. Ich wollte aber mal wieder im Marlin in Nová Pec einkehren und ging deshalb die 3,3 Kilometer auf Asphalt. Muss man nicht machen, lohnt sich aber, weil links die Moldauauen darauf warten, bewundert und fotografiert zu werden. Bei der Ankunft im Marlin guckte der Chef erst einmal geschockt und fragte, ob er meine Anmeldung übersehen habe. Ich beruhigte ihn sofort, dass ich nur einkehren wollte, und genoss zur Feier des Tages eine Fischsuppe und paniertes Rehschnitzel. Nur die Fotos habe ich dieses Mal vergessen. Während des Essens regnete es noch einmal richtig (was die Wolken über dem Hochficht schon vermuten ließen und auf Meteo CZ auch angesagt war) und schuf einen zwar etwas blassen, aber trotzdem sehr schönen Regenbogen über Nová Pec. Kurz vor 18 Uhr bezahlte ich, mittlerweile schaffe ich das ebenso wie die Bestellung schon richtig souverän auf tschechisch, und ging die letzten 50 Meter des Tages hinüber zum Bahnhof, wo bald der Zug aus České Budějovice einrollte und mich zurück nach Stožec brachte. Auf dem Rückweg nutzte ich noch die Existenz der ONO-Tankstelle in Řasnice und war gegen halb zehn wieder bei meinem Hooligan.