Bergpoesie einer Bergpoetin

Oder ist Waldpoesie einer Waldpoetin zutreffender?

Gedanken zur Wintersonnwende

Die Tage werden ab heute wieder länger, das Jahr 2014 neigt sich seinem Ende zu. Mit dem neuen WordPress-Update wird auch gleich das Standard-Hintergrundthema für 2015 mitgeliefert (welches auf diesem Blog aber nicht verwendet werden wird, ich sehe keinen Grund, das aktuelle auszutauschen, speziell nachdem ich endlich den nötigen Durchblick habe, wie ich es auf meine persönlichen Vorstellungen maßschneidern kann).

An vielen Orten gibt es öffentliche oder halbprivate Wintersonnwendfeuer, teils mit, teils ohne spirituellen Hintergrund. Auch wir haben unseren offenen Kamin angeheizt und vor dem Feuer Tee getrunken und werden vielleicht später noch einmal davor sitzen. Ob es schon der richtige Zeitpunkt für einen Jahresrückblick ist, weiß ich nicht, es könnte ja sein, dass ich in den verbleibenden 10 Tagen noch ein oder zwei mal mit Coco eine größere Runde gehe. Auch steht noch die Silvesterwanderung in Neunburg an, wobei ich an ihr nur teilnehmen werde, wenn Schnee liegt. Der Grund dafür ist, dass wieder die gleiche Strecke angesagt ist wie im vergangenen Jahr und ich das dann schon etwas fad finde. Außerdem habe ich 2014 fast doppelt so viele Touren gemacht wie in den Jahren zuvor, was gleichzeitig bedeutet, dass ich mein Ziel um etwa 80% übererfüllt habe. Da sind die mehr als 500 km Gesamtwanderstrecke ein feiner Nebeneffekt, auch wenn ich das nicht einmal so überragend finde. Es gibt genügend Berggänger, die das Doppelte oder Dreifache geschafft haben. Die Pläne für 2015 sind auch schon gemacht, jetzt kommt es darauf an, wie sich das Wetter entwickelt und wo meine Zukunft liegt. Nachdem die Rubrik Poesie, in diesem Jahr eindeutig zu kurz gekommen ist, gibt es als kleines Weihnachtsgeschenk für meine treuen Leser die Übersetzung einer Kurzgeschichte, die ich im englischen Original auf mehreren Poetry Slams vorgetragen habe. Ich wünsche frohe Festtage, egal ob Weihnachten, Yule oder was auch immer und schon einmal ein gesundes und erfolgreiches 2015.

WINTERSONNWENDE MIT VOLLMOND

Die Nacht bricht früh über die schneebedeckte Hügelkuppe herein. Die Hexe platziert den letzten Stein zur Vollendung ihres Kreises. Dank vorhergehender Rituale sind die Wolken gegen Mittag aufgerissen. Perfektes Wetter für eine ganz besondere Nacht. Sie legt noch einige Bündel Glockenblumen um den Ort, um ihn vor Werwölfen zu schützen und setzt sich auf ihre Decke, die den Schnee in der Mitte des Kreises bedeckt, wo sie eine weitere Meditation beginnt. Etwa eine Stunde später erscheint der Mond hinter dem benachbarten Bergrücken und weckt die Hexe aus ihrer Trance. Während sie darauf wartet, dass die gesamte Mondscheibe sichtbar wird, bereitet sie die Räucherstäbchen vor, die sie in ihrem Hauptritual verwenden will. Ein Ritual, mit dem einige Geister der Gegend und natürlich Elementargeister gerufen werden.

Sie ist eine gute Hexe, keine böse, wie ihr vielleicht denkt, weil Geschichten über böse Hexen angeblich viel interessanter sind, weil sie mehr böse Handlungen enthalten. Oooooooooooooh…

Jedenfalls ist sie eine gute Hexe mit guten Absichten und muss sich deswegen vor den Werwölfen schützen, was sie mit den Glockenblumen versucht. Glockenblumen sind, ganz nebenbei, sehr schöne, aber extrem giftige Blumen. Sie blühen normalerweise im Sommer, aber die gute Hexe hat ein Gewächshaus mit einem großen Sonnenfenster im Dach, in dem sie Glockenblumen das ganze Jahr über heranziehen und hoffen kann, dass ihre Magie stark genug ist, sie zu beschützen. Es ist allerdings nicht sicher, ob der Schutz tatsächlich von der Magie kommt oder von der Gier der Werwölfe kommt, die an nichts vorbeigehen können, ohne es zu fressen und deshalb am Gift sterben.

Zurück zur Hexe und ihrem Ritual. Die Räucherstäbchen glimmen jetzt und füllen die Hügelkuppe mit einem Duft von Weihrauch und Wacholder. Dies hilft, die guten Geister zu rufen und verstärkt als Nebeneffekt den Schutz gegen – richtig – die Werwölfe. Die Hexe meditiert ein weiteres Mal und spricht zum Abschluss die Rufworte. Der Rauch beginnt, seltsame Formen anzunehmen, die der Hexe mitteilen, dass die Geister angekommen sind und auf ihre Bitten warten. Weit hinter dem benachbarten Bergrücken verliert sich das Geheul von zwei Werwölfen, zumindest kann man zwei Stimmen klar unterscheiden, die gehofft hatten, angreifen und die Hexe verwandeln zu können. Sie öffnet ihre Tasche, entnimmt einen weiteren Zweig, dieses Mal Lavendel, und pflanzt ihn in der Mitte des Steinkreises in den Schnee. Natürlich hat sie vorher ihre Decke von dieser Stelle entfernt. Der Rauch ändert wieder seine Gestalt und verliert sich ebenfalls. Die Hexe verbeugt sich vor dem Lavendelzweig und dem Vollmond, der mittlerweile eine ansehnliche Höhe erreicht hat und die verschneite Szenerie wunderschön beleuchtet, und verlässt die Hügelkuppe, wo der Steinkreis, der Lavendelzweig und die Bündel Glockenblumen für die Geister liegenbleiben, und kehrt in ihr Haus zurück.

Die Geister werden ihr in den nächsten Monaten gut gesinnt sein und Böses von ihr und allen, die ihr wichtig sind, fernhalten.

Natürlich nur, wenn auf dieser anderen Hügelkuppe keine böse Hexe war, die zusammen mit den Werwölfen ein stärkeres Ritual durchgeführt hat.