Wenn aus einer Tour deren zwei werden
Touren mit Marga und Christa, T1, 9,71 km, 161 hm, 3 1/2 h, Ausgangspunkte Untergrafenried (CHA) und Perlseeparkplatz (CHA)
Die zweite von mir geführte Tageswanderung des OWV Schwandorf sollte vom Deutschen Eck in Steinlohe über den Kleeberg nach Untergrafenried und von dort zu den Wüstungen Grafenried (Lučina), Anger (Úpor) und Paadorf (Hranična) führen. Sollte. Denn es kam völlig anders, und ursächlich dafür war die (nicht wirklich zutreffende) Wetterprognose in Zeitung und Fernsehen.
Zehn Sekunden, bevor ich mich auf den Weg zum Volksfestplatz machen wollte, klingelte es und Marga stand vor der Tür, um mich mitzunehmen. Am Volksfestplatz war dann außer Christa niemand zu sehen, was uns auch nicht weiter störte. Wir beschlossen aber aufgrund der in Schwandorf doch sich andeutenden Schwüle, die Tour zu verkürzen und fuhren gleich nach Untergrafenried. Ich informierte das Deutsche Eck, dass wir weniger Leute waren als gebucht und außerdem bereits zum Mittagessen kamen, so dass diese Baustelle auch erledigt war. Am neuen Ausgangspunkt angekommen gingen wir über die Grenze und fanden uns bei deutlich angenehmeren Temperaturen und einer frischen bayerischen Brise (normalerweise heißt es ja, dass der böhmische Wind recht kühl ist, aber dieser kam eindeutig aus westlicher Richtung) nach gut einem Kilometer mitten in den Ruinen von Lučina, genauer gesagt vor dem, was noch vom ehemaligen Dorfwirtshaus und der Brauerei übrig war. Und das war schon noch einiges. Wie in den Fotos zu sehen, nahmen wir uns ausgiebig Zeit zur Erforschung der Ruinen und stießen auf manches interessantes Detail. Dazu gehört auch die Tatsache, dass eigentlich täglich ältere Herren aus der Grenzregion herüberfahren und mit ihren Hunden spazierengehen oder einfach in Erinnerungen schwelgen. Denn offiziell ist der Übergang Untergrafenried / Lučina nur für Fußgänger und Radfahrer geöffnet. Oder auch, dass in der Brauereiruine ein Schießstand der Grenzwache eingerichtet war. Als jede Ecke begutachtet war, zogen wir weiter zum früheren Dorfplatz, der von einer stattlichen Lindengruppe geprägt wird. Etwas nach hinten versetzt fanden wir die Ruine der Pfarrkirche, die etwas restauriert und sogar wieder geweiht wurde, so dass hier Freiluftgottesdienste und Andachten möglich sind. Gleich nebenan liegt der ehemalige Pfarrhof, in dem wir neben verrostetem Hausrat auch die Grundmauern eines Kachelofens erkennen konnten. Wir verließen den Pfarrhof durch den Hinterausgang, der uns über einen liebevoll hergerichteten Weg zum ehemaligen Friedhof führte. Dieser ist nicht so gepflegt wie der ein paar Kilometer nördlich in Pleš, hat aber trotzdem seine ganz eigene Energie und Ausstrahlung. 400 Meter nördlich liegt die Wüstung Úpor, ein früherer Ortsteil von Grafenried. Hier ist außer dem Brennesselmeer und dem Hinweisschild, das denen von der Tour Ende Mai entspricht, nur ein eisernes Gedenkkreuz erhalten. Eigentlich hätten wir jetzt bereits umdrehen können, aber ich vermutete etwas nordöstlich noch eine brauchbare Aussicht Richtung Škarmanka, weshalb wir noch bis zur nächsten Lichtung gingen, wo wir dann umkehrten. Auf dem Rückweg erfrischte uns ein kleiner Regenschauer, bevor wir am Grenzübergang auf drei Personen trafen, die mit dem Auto direkt hergefahren waren. Dabei stellten wir fest, dass es sich um ehemalige tschechische Bewohner von Grafenried handelte, die sich beim erzwungenen Verlassen des Ortes ebenfalls für ein Leben in Bayern entschieden hatten. Ich habe nicht nachgehakt, vermute aber, dass sie zu denjenigen gehörten, die mit dem stalinistischen Regime der ČSSR nach dem Krieg nichts zu tun haben wollten. Der Herr war jedenfalls so freundlich, ein Foto von uns allen am Grenzschild zu machen, das auf der OWV-Seite angesehen werden kann. Anschließend ging es zurück zum Auto und mit einem Zwischenhalt kurz hinter Spielberg, wo man einen besonders schönen Blick auf die Umrundung des Ulrichsgrüner Tals hat, den ich fotografisch festhalten musste, rüber nach Steinlohe. Dort besichtigten wir noch schnell (oder eigentlich ganz gemütlich) die Wallfahrtskapelle, bevor wir den Einkehrschwung im Deutschen Eck in Angriff nahmen. Dieses Traditionsgasthaus kann mit vielerlei Dingen punkten, die familiäre Atmosphäre und moderaten Preise sind nur zwei davon. Das Hauptargument für ein Wiederkommen ist aber die Tatsache, dass alle frischen Zutaten aus der Region, teilweise sogar aus eigener Produktion kommen. Marga entschied sich für ein Kalbsrahmschnitzel, während Christa und ich das Gleiche vom erwachsenen Angusrind wählten, dazu gab es Andechser Dunkel (eigentlich das Einzige, was nicht aus der Region stammt, aber mein Lieblingsbier in Oberbayern), während alle anderen Biersorten von der Rhaner Brauerei bei Schönthal waren, übrigens der ältesten Privatbrauerei Ostbayerns mit einer Brautradition seit 1283. Während der Wartezeit (es war ordentlich Betrieb) sinnierten wir, was wir noch mit dem angebrochenen Tag machen könnten. Gleich Heimfahren war nicht wirklich eine Option, der auf dem Weg liegende Schwarzwihrberg schon eher, aber da war Marga heuer schon oben. Also beschlossen wir, noch den Perlsee zu umrunden und den Tag danach mit einem Eis im Terrassencafe zu beenden. Auch auf dieser Runde bestand keine Gefahr, dass uns langweilig oder gar fad werden könnte. Die ersten Meter bis zum Campingplatz und daran vorbei verliefen zwar auf der Fahrstraße, aber dann ging es auf einem Waldsteiglein, für das es sich gelohnt hätte, doch die Wanderschuhe noch einmal anzuziehen, hinunter zur Schwarzachbrücke. Vor dieser liegt der Naturhochseilgarten, der von der Jugendbildungsstätte Waldmünchen betrieben wird und deshalb auch nur sehr kurze Öffnungszeiten hat. Die Westseite des Sees ist hauptsächlich Feuchtwiesengebiet mit entsprechend reichhaltiger Vegetation. Hier wurde Christas Pflanzenwissen sehr wertvoll, auch wenn ich mir wieder einmal fast nichts merken konnte. Die immer neuen Blickwinkel auf das Čerchovmassiv im Süden und den Kamm vom Starý Herštejn zur Škarmanka im Osten rundeten den Genuss ab. Am Zugang zum Staudamm entdeckten wir noch eine ganz nette Skulptur, bevor wir ihn überquerten, unser Gepäck minus Geldtascherln im Auto deponierten und noch einmal zum Terrassencafe, an welchem wir ja am Anfang bereits vorbeigegangen waren, schlenderten. Dort fanden wir gleich einen schönen Tisch und ließen den Tag mit einem gar nicht schlechten Eisgetränk ausklingen. Dabei merkte ich sofort, dass die Dame, die uns bediente, Tschechin war und erfreute sie mit meinen paar Brocken ihrer Muttersprache.
Die Leute vom OWV, die vor der Hitzankündigung kapituliert hatten, haben etwas verpasst. Vorläufig. Denn wir drei waren uns einig, dass ich die ursprünglich geplante Runde im April 2016 noch einmal anbieten sollte. Ob das dann auch tatsächlich passiert, muss die Vorstandschaft des OWV Schwandorf im Herbst entscheiden.
Die Perlseerunde ist übrigens ein offizieller Wanderweg der Stadt Waldmünchen, den man auch verlängern kann, indem man nicht über die Schwarzachbrücke geht, sondern am Naturhochseilgarten flussaufwärts weiterwandert und die Schwarzach kurz vor Höll überquert. Der GPS-Track dazu kann von der offiziellen Seite des Landratsamtes Cham heruntergeladen werden, wie übrigens praktisch alle offiziellen Wanderwege im gesamten Landkreis plus der beiden Gemeinden (Nittenau und Bruck) des Altlandkreises Roding, die heute zum Landkreis Schwandorf gehören, aber Mitglied des Naturparks Oberer Bayerischer Wald sind. Und das Beste an diesen Tracks ist, dass sie nicht wie bei den Naturparken im Oberpfälzer Wald auf dem Bayernatlas gezeichnet, sondern tatsächlich gegangen wurden.
Schlagwörter: anger, deutsches eck, grafenried, lucina, nemanice, perlsee, schwarzach, steinlohe, tiefenbach, untergrafenried, upor, waldmünchen, wüstung