Am Dreiländereck treffen nicht nur Staaten aufeinander
Tour solo, T3, 20,11 km, 1039 hm, 8 1/4 h, Ausgangspunkt Böhmerwaldmahnmal (FRG)
Der Böhmerwald erstreckt sich ja nicht nur beiderseits der bayerisch-böhmischen Grenze, sondern zieht sich auch ein kleines Eckerl nach Oberösterreich, genauer gesagt ins Mühlviertel (dazu später mehr). Folglich gibt es auch ein Dreiländereck (das es sowieso gäbe, auch wenn es nicht mehr im Böhmerwald wäre, aber so ist es halt für mich ein besonders interessantes Tourenziel), welches man von verschiedenen Ausgangspunkten unter verschieden großen Anstrengungen erreichen kann. Besonders lohnend ist es, dabei einige Gipfel des Hochwaldkammes mitzunehmen, der sich vom Dreisessel bis zum Plöckenstein (Plechý) hinzieht. Letzterer ist auch gleich noch der höchste Böhmerwaldgipfel außerhalb Bayerns und auch der höchste Mühlviertler und Šumavagipfel. Da der Heimatschriftsteller Adalbert Stifter in der Nähe in Horní Planá (damals noch Oberplan) geboren wurde und den Hochwald zum Titel und Thema eines seiner Romane gemacht hatte, gibt es auf der Tour auch mehr als eine Referenz an ihn.
Ich startete nach einem erneut sehr guten Frühstück, dieses Mal mit einem Omelette, bezahlte ich die Übernachtungen in Volary und verabschiedete mich mit den Worten „Wenn ich besser tschechisch kann, komme ich wieder“. Da das Omelette den Wurstteller ersetzte, blieb ich unterwegs in Bischofsreut bei einer Metzgerei stehen und kaufte mir eine Hartwurstsemmel als Ergänzung zu – logisch – den Apfelvierterln. 20 Minuten später war ich am Parkplatz des Böhmerwaldmahnmals, das ausnahmsweise nichts mit Adalbert Stifter zu tun hat, angekommen und nochmal fünf Minuten später umgezogen und auf dem Weg. Dieser führte mich erst einmal etwas bergab zum Rosenberger Gut in Lackenhäuser, wo ich links abbog und vorbei am Feuerwehrhaus ein paar Meter bergauf ging, bis ich auf den Goldsteig stieß. Diesem folgte ich jetzt ein paar Minuten, erst durch dem Campingplatz, dann entlang des Grenzbaches, und wunderte mich, dass er auf einmal einen Abstecher nach Österreich macht. War aber kein Problem, dann blieb ich halt etwas länger auf ihm. Der erste Eindruck vom Mühlviertel war gleich einmal ein übergroßes Hinweisschild, dass der Goldsteig hier über Privatgrund führt und es streng verboten ist, den markierten Pfad zu verlassen. Österreich eben. Am Zinngießerhof verließ ich den Goldsteig schließlich doch, weil dort ein markierter Wanderweg nach Oberschwarzenberg führt. Am Ende des Dorfes ging es dann rechts hinauf in den Wald und gleich wieder heraus und der Weg passiert etwas undeutlich markiert ein Wohnhaus, bei dem zwei ältere Herren Holz bearbeiteten. Anschließend verschwand die Markierung (rot-weiß-rot) wieder im Wald und blieb dort bis zur Teufelsschüssel. Bis dahin wechselte das Geläuf mehrfach, vom Singlepfad bis zur biketauglichen, wenn auch etwas steilen Forstautobahn war alles dabei. Die Teufelsschüssel ist eine markante, doch deutlich aus dem Waldboden herausragende Felsformation, von der aus man sogar recht gute Aussicht hat. Irgendwie erinnerte sie mich eher an das Fichtelgebirge als an den Böhmerwald, auch aufgrund der Touristentreppe, die fast bis zum höchsten Punkt hinaufgeht. Dumm ist nur, dass die Beschilderung des Zustiegs etwas verwirrend ist (oder habe ich mich dem angeblichen geistigen Niveau der Mühlviertler angepasst?). Jedenfalls irrte ich erst einmal ein paar Minuten auf der Nordostseite herum und musste zwei Mal festsellen, dass es ohne Kletterei nicht hinaufgeht, bis ich den Weg direkt am Hinweisschild fand. Nach dem Abstecher hinauf folgte ich nicht der Markierung, sondern meinem Garmin und fand nach zwei Biegungen plötzlich wieder eine Markierung. Stimmt das Gerücht über die Mühlviertler also vielleicht doch? Ich glaube, es ist Zeit, da mal Licht ins Dunkel zu bringen: Ich hatte vor einigen Jahren mal eine Bekannte in Linz, gebürtig aus Krems, die gerne mal darauf hinwies, dass die Bewohner des Mühlviertels, welches sich von der bayerischen bis zur niederösterreichischen Grenze nördlich der Donau erstreckt und damit locker ein Drittel von Oberösterreich ausmacht, von unterdurchschnittlicher Intelligenz gesegnet sind. Der Linzer Stadtteil Urfahr, ebenfalls nördlich der Donau, sei hier ausdrücklich eingeschlossen. Ich halte ja normalerweise weniger von derartigen Pauschalisierungen (von bestimmten Berufsgruppen mal abgesehen), aber irgendwie fand ich heute einen Beweis nach dem anderen. Anyway, die nächsten zwei Kilometer verliefen auf einer stetig ansteigenden Forststraße, die als Fahrradtrasse markiert war. Fußgänger sollten wohl eigentlich auf dem Nordkammsteig gehen, der vielleicht 100 Meter weiter oben parallel läuft, aber der ist sowas von verwachsen, dass es keine Freude ist. An einer Abzweigung wäre es möglich, auf einer unmarkierten Forststraße weiter aufzusteigen, ich blieb aber meinem vorbereiteten Garmin-Track treu und wechselte 300 Meter später nach einem kleinen Hütterl auf einen für Fußgänger markierten und mit Plöckenstein beschilderten Waldsteig, auf dem ich bis zum Kamm und der Grenze kam. Bereits hier und noch einmal später auf dem Kamm amüsierte ich mich köstlich über die Schilder am Wegesrand, auf denen die Wanderer und vor allem Skitourengeher gebeten werden, doch die teure Schutzwaldsanierung zu schonen. Da frage ich mich schon, warum man es nicht so gemacht hat wie in Bayern und Böhmen und die von Kyrill und Borkenkäfer geschädigten Bäume einfach stehenließ anstatt alles abzuholzen und wegzutransportieren. Naja, auch mit Totholz lässt sich Geld machen, und ich bewegte mich ja in Österreich. Und nein, das ist keine Pauschalisierung, sondern eine vielfach belegte Tatsache, man denke nur an diverse Probleme in Tirol und Salzburg bezüglich Erweiterung von Skigebieten in und durch Nationalparks. Oben am Kamm stieß ich auf ein Marterl für eine junge Frau, die bereits 1905 hier verunglückt war und stieg dann auf dem Grenzsteig ab bis zum Abzweig Pod Plechým. Dieser Abschnitt geht schon ein bisserl über T3 hinaus, soll heißen, er ist felsig und sausteil, also richtig alpin. Glücklicherweise ist er aber nur ein paar hundert Meter lang, sonst hätte mein linkes Knie wohl mehr als ein paar Warnsignale ausgesendet. Bei Pod Plechým zweigt ein gelb markierter, enger und ursprünglicher Pfad nach Tschechien ab und geht direkt durch die I. zóna Národního Parku. Dieser ist teilweise nicht viel weniger steil, aber eben weicher Waldboden, so dass ich ohne weitere Klagen meiner Knie nach Pod kamenným mořem kam. Dort stieß ich auf den Aufstiegsweg von Nová Pec zum Plöckensteinsee oder Plešné jezero, welcher auch mein nächstes Zwischenziel war. Zwischen Abzweig und See liegt noch die Felsformation oder besser das Blockmeer Kamenné moře, ein Abstecher zum Aussichtpunkt scheiterte aber daran, dass dieser gerade von einer Familie belegt war und ich keine Lust hatte, wegen einer Aussicht, die vom Gipfel oben auch nicht schlechter sein dürfte, rumzutun. Also beließ ich es bei einem Schluck Wasser und ging weiter zum See, wo ich mir eine Rast und die Hartwurstsemmel genehmigte. Leider wurde mir dies ein bisserl durch zwar nicht stechende, aber doch hartnäckige und nervige Insekten vermiest, was leider auch an allen anderen Rastpunkten außer der Teufelsschüssel der Fall war. Also ging ich gleich weiter, steil hinauf in die Seewand, wo der Steig erneut ein ordentliches T3 erreicht. Auf etwa 1200 Metern Höhe öffnet sich ein herrlicher Ausblick zum Moldaustausee, bevor auf 1300 Metern das Adalbert-Stifter-Denkmal steht, von welchem aus man erstens schön hinunter zum See sieht, zweitens wieder hinaus zum Stausee. Vermutlich ist mit einem Feldstecher auch sein Geburtshaus in Horní Planá zu erkennen. Hier machte ich ein Foto von einem Paar aus Zwiesel, das mir bis zum Bayerischen Plöckenstein noch ein paar Mal über den Weg laufen sollte. Der restliche Weg zum Gipfel war jetzt deutlich flacher, denn das Denkmal steht in der Seewand (fast) ganz oben. Der Gipfel ist mit einem Kreuz und einem richtig gut verpackten Gipfelbuch geschmückt, in das ich mich natürlich eintrug. Das eigentlich gute Panorama war leider durch die mittlerweile aufgezogenen Wolken beeinträchtigt, wodurch ich mir aber den Tag nicht verderben ließ. Einzig den Gedanken, vielleicht noch den Dreisessel mitzunehmen und im Dreisesselhaus einzukehren, ließ ich an dieser Stelle endgültig sausen, obwohl es eigentlich noch nicht sooooooo spät war (kurz vor drei, um genau zu sein). Kurz nach drei ging ich weiter hinunter zum Dreiländereck und überschritt dabei noch den namenlosen Kammgipfel, dessen höchster Fels den schönen Namen Adalbert-Stifter-Dachl trägt (auch das ist Österreich). Ich müsste in der tschechischen Wikipedia nachschauen, ob er in der Liste der 1300er im Böhmerwald verzeichnet ist, er wäre jedenfalls dort um Platz 12 oder so gelistet. Den Dreiländerstein fotografierte ich von allen drei Seiten, bevor ich zum Bayerischen Plöckenstein weiterging, dessen allerhöchster Punkt erklettert werden muss. Dort, wo ich hinaufkam, war aber auch nicht wesentlich niedriger, so dass ich den Gipfel als richtig erstiegen definiere. Hier kehrte ich um und ging der Grenze entlang zurück zum Dreieckmark, wie das Dreiländereck vor Ort bezeichnet wird, aber nicht, ohne unterwegs zu einem kleinen Aussichtsfelsen auf der bayerischen Seite hinüberzusteigen. Dieser dürfte das obere Ende eines der Teilfelder des Steinernen Meeres bilden (ja, sowas gibt es auch im Bayerwald) und ist einigermaßen lohnend, weil nicht durch Baumleichen verstellt. Wobei ich ja mittlerweile nichts mehr gegen die Baumleichen sage, weil mir ihre Bedeutung als Lebensraum für alle möglichen Tiere und Nährstoffspeicher für den nachwachsenden Wald bekannt ist. Zurück am Dreieckmark gab es noch ein Apfelvierterl, bevor ich dem Steig hinab nach Lackenhäuser folgte. Die oben angegebenen über sechs Kilometer relativieren sich dadurch, dass sie sich auf die Hochwaldhalle im Ortszentrum beziehen, zu der es von meinem Ausgangspunkt noch einmal fast zwei Kilometer sind. Nach etwa zehn Minuten kam von oben der Steig durchs Steinerne Meer herunter, und ich war wieder auf dem Goldsteig. Ab jetzt ging es in großräumigem Zickzack und angenehmem Gefälle hinab, mehrfach wurden die einzelnen Felder des Steinernen Meeres gequert, teilweise auf aufwändig gemachten Dämmen. Ich hätte auch der Grenze entlang gerade hinunter gehen können, was wohl auch nicht unangenehmer gewesen wäre, aber dann hätte ich wohl einige Eindrücke weniger gehabt. Aber ich kann ja diesen Steig beim nächsten Mal nehmen. Auf etwa 915 Meter Höhe verläßt der Steig nach Lackenhäuser und zum Rosenberger Gut den Goldsteig wieder und ich stieg etwas steiler und direkter zum Parkplatz ab. Kurz davor bog ich noch für zwei Fotos nach links in den Wald ab, weil dort die chronolgisch letzte Sehenswürdigkeit des Tages wartete: das Mahnmal aller Böhmerwäldler. Es ist gut gemacht und beeindruckend, mit etwas weniger Hunger wäre ich sicher ein paar Minuten davor sitzengeblieben. So aber eilte ich die letzten Meter zum Auto und machte mich nach der üblichen Umziehaktion auf die Suche nach einer Einkehrmöglichkeit.
Diese fand ich nicht im Rosenberger Gut, das nur Freitag bis Sonntag geöffnet ist, und auch nicht in Lackenhäuser und Riedelsbach. Fündig wurde ich erst mit dem Gasthof Schmid in Altreichenau, dafür aber richtig gut. Das Jägerschnitzel kostete zwar das Doppelte wie die beiden Mahlzeiten drüben in Böhmen, war aber auch etwas größer. Auch das Dunkle aus der Region ist absolut empfehlenswert. Das Beste an der ganzen Sache war aber, dass das Ehepaar aus Baden-Württemberg (sie Schwäbin, er Badenser) mich einlud, ihnen am Tisch Gesellschaft zu leisten, womit es noch ein richtig netter Spätnachmittag wurde. So wurde es halb acht, bis ich mich auf den Heimweg machte und nach 22 Uhr, bis ich mich von Coco in Empfang nehmen lassen konnte.
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