Bergpoesie einer Bergpoetin

Oder ist Waldpoesie einer Waldpoetin zutreffender?

Selbst bei Alpintouren stolpere ich über Wüstungen…

Tour mit Marina, T3+, 14,14 km, 936 m Aufsteig, 1117 m Abstieg, 8 3/4 h, Ausgangspunkt Giebelhaus (OA)

Über das Wochenende war ich in Wertach beim ersten Teil der Fortbildung zur Gesundheitswanderführerin. Dankenswerterweise war das Hotel Pfeiffermühle, das ich auch in allen anderen Aspekten wärmstens weiterempfehlen kann, so flexibel, mir kurzfristig eine Nacht Verlängerung zu geben, weil ich bei der günstigen Wetterprognose am Montag entweder das Gaishorn oder den Großen Daumen besteigen wollte. Überraschenderweise blieb Marina, eine andere Teilnehmerin, sogar noch die ganze Woche und fragte mich am Sonntagabend, ob ich sie auf meine Bergtour mitnehmen würde. Da ich nicht leistungsmäßig unterwegs bin, sagte ich ja unter der Bedingung, dass sie mir nicht davonlaufen würde.

Da ich bereits bei der Anreise bei Nesselwang ein riesiges Schneefeld in der Nordwestflanke des Gaishorns gesehen hatte, fiel die Wahl auf den Großen Daumen, wobei wir bei der Ankunft in Hinterstein, wo wir den Bus zum Giebelhaus bestiegen, weiter desillusioniert wurden: Auch dort war entgegen der Aussage eines Kursteilnehmers aus Bad Hindelang jede Menge Schnee, außerdem war die Wetterprognose ziemlich falsch, es begann zu regnen. Aber wir sind beide nicht umsonst Wanderführer und deshalb flexibel, dann beschlossen wir eben, erst einmal zum Engeratsgundsee auszusteigen und dort weiterzusehen. Gesagt, getan, wobei wir dank vieler Fotos und gemütlichem Tempo doppelt so lange brauchten wie auf den Wegweisern angegeben und erst um halb zwei oben waren, wo mittlerweile die Sonne gelegentlich aus den Wolken hervorguckte. Das Tempo lag an zwei Dingen, erstens beichtete mir Marina, dass es ihre allererste Alpintour war, zweitens merke ich langsam, dass ich die steilen Anstiege (und auch die schweren Alpinstiefel) nicht mehr gewöhnt bin und deswegen nicht mehr so schnell hochkomme. Aber wir hatten ja keinerlei Druck. Oben gönnten wir uns eine halbe Stunde Pause mit Atemübungen seitens Marina und Qi Gong von mir, bevor wir uns für einen Abstiegsweg entschieden. Der Kleine Daumen wäre vom Schnee her besteigbar gewesen, aber wir wollten vor 20 Uhr wieder in der Pfeiffermühle zum Abendessen sein, falls es unterwegs keine Einkehrmöglichkeit geben würde. Zwei einheimische Mädels, die deutlich geübter aussahen, nahmen ihn noch mit und schafften es auch zum letzten Bus zurück hinunter zum Giebelhaus. Wir ließen die Option, auf dem Anstiegsweg zur Schwarzenberghütte abzusteigen und dort einzukehren, sausen und spekulierten darauf, dass entweder die Untere Hütte der Niggenalpe oder die Alpe Mösle bewirtschaftet sein würden. Diese Route hatte neben der Vermeidung des gleichen Weges noch den Vorteil, dass wir direkt nach Hinterstein zum Auto gehen konnten und somit keinen Zeitdruck wegen des letzten Busses hatten. Vorweg, es hat mit der Einkehr nicht geklappt, aber das war uns am Ende auch egal. Nicht ganz so egal waren die großen Schneefelder im oberen Talbereich, das schlimmste davon quer über den Tosenbach, so dass es bei der Stelle, an der der Wanderweg ihn überquert, richtig heikel wurde. Aber wir haben es geschafft. Auf der positiven Seite kam hinzu, dass ich im Schneefeld ein weiteres Murmeltier sogar eine Minute lang filmen konnte. Als gute Entscheidung erwies sich auch, die Mittelgebirgsschuhe im Rucksack mitzuschleppen, denn so konnte ich bei der Unteren Hütte, ab der der Weg sowieso nur noch durch den Wald und über kurze Alpwiesen ging, in die wesentlich leichteren Schuhe wechseln, was mir meine Beine sehr dankten. Marina zeigte gegen Ende auf der Zufahrt zur Alpe Mösle und unten im Tal leichte Ermüdungserscheinungen, hielt aber tapfer bis zum Parkplatz durch, wo wir gleichzeitig mit dem letzten Bus vom Giebelhaus ankamen. Anschließend standen noch die 21 Kilometer zurück zur Pfeiffermühle an, wo wir ein wohlverdientes Hirschgulasch und als Nachtisch ein gemischtes Eis serviert bekamen. So gestärkt war auch die spätabendliche Rückfahrt nach Schwandorf eine lockere Angelegenheit, so dass mich mein Hooligan, der leider zum Lehrgang nicht mitdurfte, kurz nach elf freudigst und liebevollst begrüßen konnte.

Am Ende hat die Tour wieder einmal bestätigt, dass es auch in den Alpen möglich ist, ohne Gipfel einen schönen Tourentag zu erleben. Für das zweite Lehrgangswochenende ist die Zimmerverlängerung bereits vorreserviert, vielleicht klappt es ja da mit dem Wetter und einem Gipfel. Wenn nicht, ist es mir auch einigermaßen egal.

Und was hat das alles mit Wüstungen zu tun? Nun, der Begriff Wüstung ist vielleicht nicht ganz korrekt, weil die Alpen in der Daumengruppe wohl noch bis oben zu den Talschlüssen genutzt werden. Das erkennt man daran, dass es bis 1800 Meter noch neu errichtete Hütten gibt. Aber der Weg wird in beiden Tälern von mehreren Alphüttenruinen gesäumt, die wohl vor Jahren Lawinen zum Opfer gefallen sind.