Grenzerfahrungen auf künisch
Tour solo, T3, 19 km, 1000 hm, 8 1/2 h, Ausgangspunkt Lohberg (CHA)
Ja, es war eine GRENZtour. Und das in mehrfacher Hinsicht. Die erste GRENZE, nämlich die zwischen AKW und doch spürbarer Quellbewölkung, lag auf der Anfahrt etwa bei Miltach. Die zweite lag auf etwa 1100 m, nämlich die FrostGRENZE der vergangenen Tage und Nächte. Deren Folgen sind auf vielen Bildern zu sehen, sie waren beeindruckend, führten aber an einigen Stellen zu kleineren Komplikationen beim Transport der Kamera. Drittens ging die Runde auch leicht in die Nähe meiner persönlichen LeistungsGRENZE, was die Länge betrifft. Ich bin aber im Gegensatz zur einen oder anderen früheren Tour ohne fremde Hilfe zum Auto zurückgekommen. Bleibt noch der Vermerk, dass mehr als ein Drittel der Strecke entlang der LandesGRENZE zwischen Bayern und Böhmen respektive Deutschland und der Tschechischen Republik verlief. Um diesen Umstand zu würdigen, habe ich meine Brotzeit im Albert-Willmann-Haus im böhmischen Teil der Terrasse zu mir genommen. Ja, diese Terrasse hat etwas mit dem Purtschellerhaus am Hohen Göll gemeinsam…
Als ich um dreiviertel zehn in Lohberg ankam, war der Parkplatz unterhalb der Brauerei ziemlich voll. Die Einheimischen waren wohl brav in der Kirche und vielleicht anschließend noch beim Frühschoppen. Ich habe aber noch einen Platz für mein Auto gefunden und war nach dem üblichen Umzieh- und Schuhwechsel-Prozedere wieder einmal ein paar Minuten vor der anvisierten Zeit auf der Strecke. Diese führte gleich einmal über die Staatsstraße, die hier dank Tempolimit 60 ziemlich ungefährlich ist, zum Rathaus und hinter diesem links eine Straße hinauf zu einem Fußballplatz. Hier ist auch bereits der Wanderweg Lo5 markiert, dem ich bis zum ersten Gipfel folgen durfte. Nach dem Fußballplatz geht es erst einmal wieder etwa 40 Höhenmeter hinunter, in einer Kurve geradeaus auf einen schottrigen Pfad, zum Perlesbach, der auf einer pompösen Brücke überquert wird. Ab dann steigt der Weg bis auf zwei kleine Flachstücke eigentlich stetig, wenn auch nicht gleichmäßig, bis zum Gipfel an. Er ist meistens gut erkennbar, aber nicht immer gut markiert. Mit ein bisserl Intuition und Mitdenken findet man sich aber immer zurecht, an den wichtigen Punkten gibt es dann schon Wegweiser. Nach einer halben Stunde kam ich an ein Kriegerdenkmal, vor dem der Weg scharf links abbiegt und an einer Löwenzahnwiese vorbei führt. Hier sind die Ausblicke zu den acht Tausendern und speziell den beiden Arbern ziemlich gut. Nach der Wiese geht es wieder in den Wald, wo man einmal etwas aufpassen muss, um bei einer Gabelung die Markierung richtig zu verstehen, es geht rechts hinauf. Nach weiteren 20 Minuten war ich bei einer Lichtung, wo der Weg kaum erkennbar am Waldrand weiterführt. An deren Ende ist das erste Zwischenziel Oberhaiderberg, ein Weiler mit ein paar Bauernhäusern und einer Schafherde. Hier ist nichts markiert, man muss aber am Fahrweg nach rechts wieder in den Wald hinauf, wo sich nach etwa fünf Minuten Lo4 und Lo5 trennen. Während der erste geradeaus weitergeht, bog ich nach links ab und kam nach einer Viertelstunde zur Schlüsselstelle der Tour: Die Staatsstraße muss erneut überquert werden, allerdings an einer nicht ganz übersichtlichen Stelle, an der die Autos und vor allem Motorräder meistens ziemlich flott unterwegs sind, vor allem bergab. Ich habe es geschafft und durfte mich über einen etwas steileren Weiterweg freuen, der dann hübsch undeutlich, aber dafür besser markiert wurde. Eine halbe Stunde nach Oberhaiderberg durfte ich noch die Forststraße überqueren, auf der man nach Scheiben zurückgeht, wenn man die Runde von dort aus startet. Diese Variante findet man auf einem offiziell aussehenden Wanderportal für den Bayerischen Wald, ich frage mich jedoch, in welcher Geisteshaltung die Autoren die Runde gegangen sind. Mit Genuss habe jedenfalls weder die Zeitangaben noch der Rückweg vom Osser zu tun, vor allem: die letzten vier Kilometer sind ein stetiger Gegenanstieg von über 120 Höhenmetern! Aber ich hatte ja einen anderen Ausgangspunkt gewählt. Kurz oberhalb dieser Forststraße begann dann das Naturschauspiel, das mich den Rest des Tages begleiten würde: Die Luftfeuchtigkeit hatte während der letzten Tage und Nächte nicht nur Rauhreif, sondern richtige Eisformationen an die Bäume (und Gipfelkreuze) gezaubert, die dank der Sonne und Wärme am Schmelzen und Herunterfallen waren. Auf etwa 1250 Metern mündet der Steig in einen Weg, der von Scheiben heraufkommt, nach einem kurzen Steilstück knickt dieser nach rechts ab und führt knapp unter dem Kamm zum Gipfel. Es gibt ein paar Querverbindungen direkt zum Grenzsteig, ich nahm in der Annahme, dass der Gipfel direkt auf der Grenze sein würde, eine davon und machte dadurch 100 Meter Umweg. Was solls. Am Gipfel war ich zunächst alleine, als ich mit dem Marmeladenbrot fertig war, kam eine Gruppe, die in Scheiben losmarschiert war. Kaum waren sie da, purzelte auch schon das Eis vom Gipfelkreuz. Gut, dass ich es schon vorher fotografiert hatte. Punkt 13 Uhr marschierte ich weiter. Zunächst inspizierte ich die Möglichkeit, dem Kamm nach Süden zum Jezerní hora zu folgen. Das Ergebnis war das gleiche wie letztes Jahr unten im Tal: Naturschutzgebiet, Betretungsverbot. War eigentlich zu erwarten, also ab Richtung Osser. Der Grenzsteig windet sich während der gesamten Strecke, über deren Länge es widersprüchliche Angaben gibt, links und rechts an den Grenzsteinen und -pfosten vorbei. Der Zeitbedarf lässt aber die knapp sechs Kilometer vermuten, die auch die Kompass-Karte zeigt. Seltsamerweise ist der Steig dort übrigens nicht eingezeichnet, dafür aber vor Ort beschildert. Witzigerweise stehen auf der tschechischen Seite auch im Naturschutzgebiet immer wieder Hinweisschilder auf die Staatsgrenze, während ich bis zum Beginn des Osseranstiegs auf der deutschen Seite genau eines entdeckt habe, nämlich an der tiefsten Stelle des Kammes, der auch Sesselplatz genannt wird. Zwischendurch gibt es auch noch einen Kammhöcker mit etwa 50 Metern Gegenanstieg und dem netten Namen Velký Kokrháč sowie ein paar Felsriegel, die man auch beklettern könnte. Und natürlich immer wieder Eisregen aus den Baumwipfeln und daraus resultierende Schneefelder. Nach knapp zwei Stunden kam von links ein Fahrweg herauf und beschrieb eine Linkskurve, dies ist wohl der von der vorgenannten Seite empfohlene Abstiegsweg. Denn die Grenze macht an dieser Stelle einen Knick nach Osten, und es lohnt sich, weiter ihr zu folgen. Weitere 25 Minuten, die jetzt stetig bergauf gehen, später türmt sich vor mir der Gipfelaufbau in den Himmel. Von rechts kommt ein Pfad aus Böhmen herauf, der jedoch per Schild ausdrücklich gesperrt wird. Aber der Weiterweg führt sowieso ein paar Meter nach Bayern hinein, denn die Grenze verläuft in diesem Bereich meistens oben auf dem Felsriff. Einige ausgesetzte Abschnitte sind angenehmerweise seilversichert, so dass auch Gegenverkehr kein Problem war. Somit dauerte es nicht mehr lange bis zum Großen Osser und dem verdienten Einkehrschwung im Albert-Willmann-Haus kurz nach halb vier. Das Weltenburger Barock-Dunkel erfreute mich sehr, die Brotzeitplatte war hingegen im Vergleich zu anderen Hütten eher durchschnittlich. Eine Stunde später machte ich mich wieder auf den Weg, noch stand der dritte Gipfel der Runde an. Auf den Kleinen Osser musste ich vor vier Jahren mit Coco verzichten, weil im Ossersattel noch ein halber Meter Restschnee lag, dieses Mal ging es. Und da schau her, dort gibt es auch ein Gipfelbuch, das jetzt auch einen Hinweis auf diese Seite beinhaltet. Nach ein paar Fotos startete ich den Abstieg, bereits wissend, dass ich etwas später als geplant zum Auto zurückkehren würde. Hierzu folgte ich vom Sattel aus dem Weg Lo1 Richtung Silbersbach. Dieser ist steil, felsig und holprig, also unangenehm für die Knie und bei nassen Verhältnissen wie heute gleich noch mehr. Nach etwa 150 Höhenmetern kommt eine Forststraße in Sicht, die man überqueren und auf einem unmarkierten Waldweg weiter absteigen kann. Das erschien mir aber zu belastend für meine Knie, weshalb ich die Forststraße wählte, die in einem weiten Bogen 180 Grad nach unten schwingt und an einer Abzweigung den direkten Abstieg vom Gipfel aufnimmt. Auf der anderen Seite der Abzweigung führt dieser wieder in den Wald, immer noch felsig und holprig, aber wenigstens nicht mehr ganz so steil und, weil ich mich inzwischen wieder unter 1100 Metern befand, trocken. Jetzt ist es nur noch etwa ein Kilometer bis zum Osserparkplatz am oberen Ortsende von Lohberg, ich hatte von dort noch das Vergnügen, weitere 600 Meter durch das Dorf hinab zur Brauerei zu laufen und war gegen 18.30 Uhr wieder zurück am Auto.
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