Auf einem schrägen Vogel
Tour solo, T3+, 14 km, 1100 hm, 9 h, Ausgangspunkt Hotel Ammerwald (RE)
Ich habe am Donnerstag noch mit Uschi Winterbaer telefoniert und sie gefragt, ob sie glaubt, dass das Roggental wieder gefahrlos begehbar ist. Ihre Antwort war, dass das wohl so wäre, aber das Wetter nicht gut genug für die Tour auf die Hochblasse würde. Ich habe mich aber auch nicht vom Dagegengerede meiner Mutter davon abhalten lassen, trotzdem ins Graswangtal zu fahren und die Runde mit der Vorgabe, bei Sonnenuntergang wieder am Auto zu sein, in Angriff zu nehmen. Ok, die Wolkendecke war den ganzen Tag über geschlossen und vereinzelt auch vor Gipfeln, aber immer mindestens 150 Meter über mir. Dafür war es aber von den Temperaturen her sehr angenehm und ich habe mit Ausnahme der Einkehr auf der Jägerhütte keinen einzigen Menschen gehört oder gesehen. Und ganz ehrlich, so sind mir Bergtouren am Allerliebsten.
Die Anreise verlief zwar im Großen und Ganzen reibungslos, allerdings war aufgrund der Hitzeschäden zwischen Regensburg-Süd und Elsendorf auf 40 Kilometern Tempo 80 und die Tunnelbaustelle vor dem Luise-Kieselbach-Platz in München wird auch noch ein paar Monate bleiben. Ich schaffte es aber, kurz vor 10 Uhr mein Auto am Hotel Ammerwald abzustellen und marschierte nach einer Blasenentleerung ebendort fröhlich los. Zunächst folgte ich der Straße zurück Richtung Ammerwaldalm bis zum Abzweig des Wanderweges durch das Roggental zur Hochplatte. Dieser ist eigentlich immer gut zu finden und einigermaßen ordentlich markiert. Im Vergleich zum Weg durch das Köllebachtal ist er um einiges anspruchsvoller, aber dafür auch landschaftlich deutlich reizvoller. An der Roggentalgabel folgte ich dann dem linken Weg zum Roggentalsattel. Der obere Teil des Roggentals war noch von Altschneefeldern durchsetzt, die mir trotz Uschis Versicherungen nicht ganz geheuer waren. Allerdings war es mit einer Ausnahme relativ unproblematisch, sie zu umgehen, und diese Ausnahme war gerade mal fünf Meter breit. Auch die Wächte am Sattel wurde im Steilgras links davon ohne größere Probleme umklettert. Naja, besonders sicher habe ich mich dabei nicht gefühlt, aber das liegt vor allem am immer noch kaum vorhandenen Selbstvertrauen. Auf früheren Touren haben mir derartige Stellen ein Lächeln hervorgelockt. Ein wirkliches Problem stellte jedoch der Hochblassengrat dar. Die ersten paar Meter im Gras gingen zwar noch ganz locker, aber die darauf folgende Steilstelle im Felsen ließ mich richtig verzweifeln, was wohl der richtige Weg wäre und wie ich, falls ich ihn finden würde, wieder herunterkommen sollte. Also gab es nur eine Entscheidung, umdrehen und doch die Krähe, die ich ursprünglich als Bonusgipfel für den Fall besonders guten Fitnesszustandes geplant und im Roggental eigentlich abgeschrieben hatte. Während ich sinnierte, löste sich kurz hinter dem Sattel ein kleiner Steinschlag von der Hochplattenflanke und prasselte auf den Verbindungspfad zum Fensterl und der Krähe nieder. Gut, dass ich nicht drei Minuten früher dort durchgegangen bin. Für die angeblich fünf Minuten vom Roggentalsattel zum Fensterl brauchte ich mehr als das Doppelte. Zwar machte mir die kleine Kletterstelle (I) überhaupt keine Schwierigkeiten, aber etwas mehr Achtsamkeit ist da schon nötig. Diese Zeitangabe war aber die einzige, die fernab jeglicher Realität liegt. Ich benötigte zwar immer etwas mehr als die angegebene Zeit, dies war jedoch neben meinem betont kräftesparenden Tempo den vielen Fotos geschuldet. So erreichte ich den Gipfel der Krähe nach einer weiteren Ier-Stelle um 14.47 Uhr. Nach dem Genuss eines Apfels, etlichen Fotos, dem traditionellen telefonischen Gipfelgrüßli an meinen Vater und einer kleinen Meditation fühlte ich mich nach etwa einer Dreiviertelstunde wieder fit genug, zum Roggentalsattel zurückzugehen und von dort aus durch das Köllebachtal abzusteigen. Von den dort lebenden Murmeltieren habe ich leider nichts gehört oder gesehen, aber das lässt sich ebenso wie die Hochblasse nachholen. Trotz leichten Ziehens im rechten Knie kam ich zügig voran und zur Jägerhütte. Diese macht zwar offiziell erst am Samstag auf, aber das Team war schon da, um die Hütte auf Gäste und Vieh vorzubereiten, so dass ich ebenso wie ein paar Mountainbiker zumindest ein Bierchen genießen durften. Eine Brotzeit gab es noch nicht, dafür durfte ich mein letztes im Rucksack befindliches Wurstbrot vertilgen. Ziemlich genau um 18 Uhr machte ich mich dann wieder auf den Weg, es stand ja noch der Schützensteig auf dem Programm, der mich zurück zum Hotel Ammerwald führte. Hier lag eine etwas negativere Energie vor, die sich darin äußerte, dass die beiden einzigen Alpensalamander, die ich dort sah, tot herumlagen. Ob das auch der Grund war, warum nur ein Drittel der dort gemachten Fotos scharf und verwertbar wurden?
Auf dem Rückweg drehte sich die Energie wieder ins Positive. Ich kehrte noch beim Fischerwirt in Graswang ein, wo ich ein ziemlich gutes Bauerngröst und ein Ettaler Dunkel serviert bekam. So gestärkt waren auch die 268 Kilometer Heimweg eine ganz entspannte Sache. Als Bonbon durfte ich bei Garching von der Autobahn aus noch den richtig fetten Sonnenuntergang bewundern, dessen Nachwirkungen noch um 22.30 Uhr von unserer Terrasse aus erkennbar waren.
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