Wenn der Grenzsteig unzugänglich ist…
Tour solo, T1, 20,50 km, 613 hm, 6 1/2 h, Ausgangspunkt Prášily (KT)
Überraschung, Überraschung. Am letzten Tag meiner Šumavatour schien bereits beim Aufstehen die Sonne. Also blieb es beim ursprünglichen Plan und ich startete nach Frühstück und Bezahlen der Hotelrechnung nach Prášily, um von dort aus die doch etwas längere Runde über Lackenberg und Lackensee oder auf tschechisch Plesná oder Debrník und Jezero laka anzugehen. Zu meiner Verwunderung war am Großparkplatz oberhalb der ehemaligen Penzion Škarda niemand zum Abkassieren da, was mir aber auch recht war. 50 Kronen mehr für die Einkehr in Rovina nach der Tour.
Vom Parkplatz ging ich erst einmal zum Wegweiser in der Dorfmitte, der nur 20 Meter von der direkten Route entfernt war, um im Garmin die Höhe korrekt einzustellen. Anschließend folgte ich der gelben Markierung und Beschilderung zum Grenzübergang Gsenget, an dem ich den Grenzsteig betreten wollte. Der Weg führt zunächst im Dorf etwas bergauf, vorbei an den Ruinen von Kirche und Brauerei, die beide von den Militärs zerstört wurden. Zumindest die Kirche soll allerdings wieder aufgebaut werden, mal sehen, was dabei herauskommt. Beim letzten Haus biegt der Weg links ab und geht auf einer Forststraße weiter. Bald hätte ich links einen kleinen Zusatzgipfel mitnehmen können, hatte aber keine Lust auf Gestrüppkampf jedweder Form, weil ich auf dem Grenzsteig sicher noch genug davon haben würde. 20 Minuten und einige Fotos später gabelt sich der Weg, rechts geht der Radweg zum Jezero laka, während die Fußtouristen links Richtung Gsenget dirigiert werden und sich von dort aus in alle Richtungen verteilen dürfen. Ich machte erst einmal eine kurze Genusspause, in der natürlich auch das erste Apfelvierterl den Weg in meinen Magen fand, und folgte dem bereits in der Vorwoche erkundeten Weg hinunter zur Staatsgrenze. Dort schlug ich mich nach rechts in die Wildnis und musste nach acht Metern umkehren. Denn der Grenzsteig war von einer Reihe umgestürzter Bäume blockiert, die weder überklettert noch landseitig umgangen werden konnten. Einzig der Weg durch den Grenzbach wäre mir offengestanden, aber im Hintergrund waren gleich noch mehr umgestürzte Bäume erkennbar, und ich war mir nicht sicher, wie wasserdicht meine Schuhe im Moment sind. Also kehrte ich zurück zum Abzweig Gsenget und ging auf dem rot markierten Weg zum Jezero laka weiter, laut Karte sollte es noch zwei Möglichkeiten geben, zum Grenzsteig hinunterzukommen. Nicht auf der Karte war ein Harvestertrack am Ende der Wüstung Horní Ždánidla (Obersteindlberg), also ließ ich ihn auch links liegen. Vielleicht hätte ich ihn doch versuchen sollen. Von der Wüstung, die sich ziemlich direkt an die Ruinen von Gsenget anschließt, gibt es wieder ein Heimatbuchtaferl, ansonsten ist auch nicht viel übriggeblieben. Traurig, aber typisch für Militärs, in den US-Truppenübungsplätzen in der Oberpfalz sieht es ja auch nicht anders aus. Nach knapp einem Kilometer stieß ich auf den ersten in die Karte eingezeichneten Weg und folgte ihm nach unten, nur um festzustellen, dass er sich etwa 100 Meter vor der Grenze in einem Verhau aus Filz, Unterholz und Totholz verliert. Ich versuchte ein paar Minuten lang, einen Weg zu finden und gab dann auf. Also ging es weiter auf dem markierten Weg, der nach einer kleinen Senke eine Linkskurve macht, während es unmarkiert geradeaus weiterginge. Diese Abkürzung interessierte mich allerdings überhaupt nicht, weil ich darauf hoffte, von der weiter oben folgenden Rechtskehre aus den an dieser Stelle sehr kurzen Weg zum Grenzsteig nutzen zu können. Dummerweise finden sich jeweils 100 Meter links und rechts dieser Stelle Schilder mit der Aufschrift I. zona NP, und mehr als ein Wildwechsel ist auch nicht zu erkennen. Damit war das Thema Lackenberg für heute erledigt, ich hätte zwar noch vom See aus über den Grenzübergang Lackabruck hinaufsteigen und auf dem gleichen Weg zurückkehren können, aber das wären wohl elf Kilometer Zusatzstrecke gewesen, und ich habe für 2015 genug von Extremtouren. 20 Kilometer an einem Tag reichen schließlich auch. Etwas weiter oben steht rechts ein Rastbankerl, das von drei Tschechinnen belegt war, die ihre Oberteile ausgezogen hatten und sich sonnten. Auch ok. Oben am Sattel zweigt eine neu aussehende, grob geschotterte Harvesterstraße nach rechts ab und führt wohl zum Gipfel des Ždánidla, ich weiß nur nicht, ob das daneben stehende Schild mit I. zona NP nur für das Gebiet rechts davon gilt oder auch für den Weg. Außerdem reichen 20 Kilometer für einen Tag. Am Wegweiser, der mir Hoffnungen machte, dass man von Lackabruck zum Lackenberggipfel kommt, traf ich einen Radfahrer, der mich kurz vorher überholt hatte und jetzt ein bisserl platt war und redete ein paar Worte mit ihm. Mittlerweile weiß ich, dass es kurz vor Železná Ruda eine Kreuzung mit dem Namen Debrník gibt, dort kommt man heraus, wenn man von Zwieslerwaldhaus aus die Grenze überschreitet. Danach ging es weiter, jetzt bergab bis zum See. Dieser wird jedoch nicht direkt auf der Forststraße erreicht, der Fußweg zweigt leicht versteckt kurz vorher links auf einen Waldpfad ab und führt zum großen Rastplatz an der östlichen Ecke. Radfahrer müssen einen kleinen Umweg über den Forstweg nach Hůrka nehmen, haben aber auf dieser Seeseite auch Platz. Zum See führt ein kleiner Steg mit schöner Aussicht auf den Lackenberg und die kleineren Rastplätze auf der nördlichen Ecke. Ich nutzte aber erst einmal den freien Platz auf einem der Tische zum Mittagessen, soll heißen, die beim Frühstück vorbereitete Wurst-Käse-Semmel und ein Apfelvierterl wurden vertilgt. Dann blieb ich noch ein paar Minuten sitzen und ging den Bohlensteig durch den Wald hinüber zu den anderen Rastplätzen. Der erste war nicht so toll und mit Radlfahrern überfüllt, der zweite ein paar Meter weiter zwar genauso mit Radlfahrern voll, aber superschön. Nach einer Viertelstunde verzogen sich auch die Radlfahrer und ich konnte die herrliche Energie des Ortes ungestört genießen. Damit wäre ich auch gleich bei der Bewertung: Der Jezero laka ist für mich definitiv der schönste Karsee im Böhmerwald, und das nicht nur aufgrund seiner schwimmenden Inseln. Der Prášilské jezero kann halbwegs mithalten, aber dann ist ein großer Abstand. Einzig die Reschbachklause habe ich als ebenbürtig empfunden, aber die ist kein Karsee. Auf den letzten Plätzen landen übrigens Rachelsee und Plešné jezero, wobei keiner der Karseen eine negative Ausstrahlung hat. Die beiden Arberseen sind zwar von der Landschaft her hübsch, aber viel zu touristisch ausgebaut und überlaufen. Ich meine damit, beide sind motorisiert erreichbar, also wo bleibt da das Verdienen? Leider musste ich nach insgesamt einer Stunde am Jezero laka weitergehen und tat dies entgegen der ursprünglich geplanten Richtung. Ich hatte nämlich auf der Wanderkarte der Radlergruppe erkannt, dass es noch einen anderen Weg nach Hůrka gibt, der gelb markiert ist, und wählte diesen. Dafür wurde ich mit ein paar schönen Ausblicken und Fotos belohnt, durfte leider miterleben, wie junge Fichten einfach weggemäht wurden und hatte wohl etwas kürzer Asphalt als auf dem anderen Weg. Hůrka besteht zunächst aus weiten Wiesen und dann einer Kirchenruine, einem Friedhof und einer von den Militärs nicht zerstörten und nach der Wende renovierten Familiengruft. Auch hier steht ein Heimatbuchtaferl und am östlichen Zaun des Friedhofs hat es eine schöne Perspektive in Richtung Křemelnátal. Hier hätte ich mir etwa einen halben Kilometer Asphalt sparen und stattdessen auf einem Wiesenpfad abkürzen können, der Einstieg ist jedoch ziemlich versteckt neben dem Friedhofszaun, so dass ich ihn übersehen habe. Der weitere Weg zurück nach Prášily ist weit weniger spektakulär als das bisher Gesehene. Nach etwas mehr als einem Kilometer überquert die Straße den aus dem Jezero laka kommenden Jezerní potok. Außerdem wird mehrmals die Stromleitung von Gerlová hut‘ nach Prášily gekreuzt und es geht etwas auf und ab. Unterwegs wird eine Lichtung oder Neuanpflanzung von einer etwas fragwürdigen Firma gesponsert, ich habe allerdings die ausschließlich tschechische Erklärung auf dem Schild nur ansatzweise verstanden. Nach etwa drei Kilometern zweigt bei der Wüstung Vysoké lávka ein Waldweg rechts ab nach Prášily, der durch seine Führung über die jetzt mit Weidezäunen ausgestatteten Wüstung Formberg noch einmal 100 zusätzliche Höhenmeter bringt. Vorher sind Reste von Trockensteinmauern erkennbar, die möglicherweise teilweise militärische Zwecke erfüllten. Vom Wegweiser Formberg aus, dessen Höhenangabe um 100 Meter falsch ist, geht es gemütlich auf einer Schotterstraße hinunter nach Prášily und ab dem Ortsrand die letzten 100 Meter zum Parkplatz auf Asphalt. Diese letzten Meter führen unter anderem am alten, vollständig restaurierten und in den Zustand von 1945 gebrachten Friedhof der Gemeinde Stubenbach (so hieß Prášily früher auf deutsch) vorbei. Bei meiner Rückkehr kurz vor halb vier waren immer noch keine Parkplatzkassierer anwesend, so dass die 50 Kronen endgültig gespart waren. Nachdem ich mich gemütlich umgezogen und die Ausrüstung im Kofferraum verstaut hatte, fuhr ich wieder Richtung Heimat, natürlich nicht ohne den Abstecher nach Rovina, wo ich endlich ein Černé pivo bekam und mir einen Hirschbraten mit Karottenknödeln verdient hatte. Ich schaffte es sogar, alles auf tschechisch zu bestellen, leider reichte das nicht aus, zu verhindern, dass ich am Ende von der Bedienung auf deutsch gefragt wurde, ob ich in Euro oder Kronen bezahlen wolle. Als ich wieder ins Auto einstieg, musste ich noch ein Foto von den durch die mittlerweile aufgezogene Wolke schimmernden Sonnenstrahlen machen und hatte ab Cham wieder das Problem mit der tiefstehenden Sonne. Ich erreichte Schwandorf kurz nach halb sieben und schaffte es damit sogar pünktlich zum OWV-Stammtisch.
Der Lackenberg ist mit den heutigen Erlebnissen natürlich noch lange nicht gestorben. Es gibt mindestens noch die beiden Optionen von der deutschen Seite aus mit Start in Zwieslerwaldhaus oder Scheuereck, letztere sogar mit dem Jezero laka, außerdem könnte sich möglicherweise noch eine Variante von Prášily aus ergeben. Das muss ich aber noch auf den einschlägigen Land- und Wanderkarten klären. Der Jezero laka wird ab sofort jedes Jahr auf der Liste stehen, es gibt genügend Optionen für Ausgangspunkte beiderseits der Grenze. Außerdem ist das Thema Nördlicher Šumava mit dieser Runde für 2015 erledigt. Ich möchte noch im Oktober ein paar Tage den südlichen Teil unsicher machen, die Tagestouren werden in Anbetracht der kürzer werdenden Tage und länger werdenden Nächte mehr im Oberpfälzer Wald stattfinden, weil da einfach die Anfahrt kürzer ist.
Schlagwörter: gsenget, horni zdanidla, hurka, jezero laka, prasily, stara hurka, zlati stolecek