Poledník – mehr als nur ein Aussichtsturm im Urwald
Tour solo, T2, 18 km, 680 hm, 6 3/4 h, Ausgangspunkt Prašily (KT)
Nach einem feucht-fröhlichen dreisprachigen Abend mit Tomáš, Jana, Bohunka und einem netten und gut englisch sprechenden Heavy-Metal-Fan aus dem Dorf konnte ich zwar nicht optimal schlafen, aber immerhin gut genug, um nach einem sehr leckeren Omelette und einem Käsebrot zum Frühstück fit für die nächste Tour zu sein. Ziel war der Poledník mit seinem markanten Aussichtsturm, dabei wollte ich den Berg erneut auch umrunden, eigentlich fast überschreiten, also auf der Ostseite vorbei am Bergsee Prášilské jezero aufsteigen und auf der Westseite durch das Tal des Prášilský potok wieder nach Prášily zurückkehren. Diese Variante ist nur zwischen 1. Juli und 30. September möglich, weil den Rest des Jahres der sehr schöne Weg vom Abzweig knapp unterhalb des Aussichtsturmes hinunter zur Furt Frantův most aus Naturschutzgründen gesperrt ist.
Von der Penzion aus kürzte ich über die Dorfwiese ab zur Straße nach Srní, der ich über den Prášilský potok bis zu einem Abzweig folgte, an der eine Forststraße noch ziemlich flach nach rechts führt. Hier ist auch schon der Prášilské jezero angeschrieben, mein erstes Zwischenziel. Wenn man Höhenmeter sparen will, kann man auch bis zum Poledník-Großparkplatz in Gruberg weitergehen, dann verpasst man aber den See. Man kann zwar auch von Gruberg aus zum See kommen, wenn man am Abzweig Liščí díry zu ihm hinaufsteigt, aber dann muss man den gleichen Weg zurück und hat einen Kilometer Umweg. Mit dem Radl muss man sogar diese Variante nehmen, und zwar auch im Abstieg, falls man da nicht noch den Oblík mitnimmt und über Srní zum Ausgangspunkt zurückfährt. Der von mir gewählte Weg führt jedenfalls zunächst am Waldrand an ein paar Wiesen und einem eingezäunten Grundstück vorbei, in dem ganz junge Fichten gezogen werden, die wohl nach ein paar Jahren zur Waldverjüngung oder als Ersatz in Windwurfflächen bestimmt sind. Mit zunehmender Höhe wandelt sich die Umgebung mehr und mehr zu dem Urwald, der im Narodni park Šumava so konsequent geschützt wird, auch wenn scheinbar einige Bereiche vorübergehend aus der I. zóna herausgenommen worden sind. Jetzt schlängelt sich der Weg am Osthang des Skalka entlang, durchquert Windwurfflächen und gesunde Waldstücke und erlaubt oft einen schönen Blick auf den gegenüberliegenden Rücken Jezerní hřbet. Dabei ist meistens auch der an dessen Westseite verlaufende Aufstiegsweg oder irgendwie korrekter gesagt die Wander- und Radlautobahn von Gruberg her erkennbar. Dann stand ich plötzlich vor einem kleinen Geländer und der Rückseite eines Schildes, die neben einem Felsen noch einen vielleicht 75 Zentimeter breiten Durchgang ließen. Dahinter folgte der große Kontrastschock: Statt der bisherigen Einsamkeit lungerten hier etwa 50 Personen herum, rasteten, machten Brotzeit, fotografierten oder fütterten Enten, sprich, ich war am Prášilské jezero angekommen. Im Gegensatz zu den von Uschi Winterbaer beklagten Touristen auf der Ammergauer Hochplatte gab es aber keinerlei laute Töne, selbst die Kinder vergnügten sich auf ziemlich ruhige Art und Weise, selbst wenn sie etwas flotter unterwegs waren. Folglich gönnte ich mir trotz des frühen Zeitpunkts auf der Tour eine halbe Stunde Pause, in der ich einfach nur die Szenerie und Energie dieses herrlichen Bergsees auf mich einwirken ließ. Einzig das Apfelviertel bekam mir nicht ganz so gut, irgendwie müssen wir beim Einkauf an eine extrem mit irgendwelchen „Schutzmitteln“ misshandelte Packung geraten sein, weil es am Tag zuvor am Oblík schon ähnlich gewesen war. Die am folgenden Samstag in einem anderen Laden gekauften Bodenseeäpfel haben mir diese Probleme nicht bereitet. Frisch geschwächt machte ich mich auf den Weiterweg, der zunächst ein paar steile Stufen und anschließend den radltauglichen Weg hinunter nach Liščí díry darstellte. Dabei ging es die meiste Zeit entlang der Grenze zu einem Hochmoor, das wie der See I. zóna ist. Liščí díry liegt dann wieder knapp unter der 1000-Meter-Marke, was sich aber bald nach dem Abzweig wieder ändert, denn der Talschluss steilt doch ordentlich auf. Einige der Radlfahrer, die mich zuvor noch frech überholt hatten, mussten absteigen und schieben, aber leider hat die Nationalparkverwaltung an dieser Strecke auf das witzige Warnschild verzichtet, das mir die gestrige Tour mit einem weiteren, unerwarteten Sahnehäubchen versehen hatte. Um Missverständnissen vorzubeugen, es gab schon Warnschilder, aber halt nur einfache mit Ausrufezeichen und Text. Etwas mehr als eine Stunde nach dem Aufbruch am See gelangte ich zur Abzweigung Předěl, an der der Hauptzustieg in den sogenannten Bayerischen Weg (tschechisch Bavorská cesta) mündet, auf dem die Radlfahrer von Srní und Modrava heraufzuckeln dürfen und der auch die Verbindung zum Oblík darstellt. Jetzt war ich schon fast auf dem riesigen Gipfelplateau des Poledník angekommen und dementsprechend sind auch die Spuren, die Kyrill vor einigen Jahren hinterlassen hat. Der Pfad ist hier trotz der vielen Radlfahrer nur geschottert, was aufgrund seiner doch ganz ordentlichen Steilheit zu tiefen Rinnen und Schlaglöchern geführt hat, so dass hier besondere Rücksichtnahme zwischen Radlfahrern und Fußgängern notwendig ist. Angenehmerweise wurde diese auch eingehalten, es waren also keine schwarzen Schafe unterwegs und Coco hätte keine Angst haben müssen, wieder über den Haufen gefahren zu werden. Nach einem guten Kilometer war ich ganz oben auf dem Rücken und der Weg mündete in die asphaltierte Straße, auf der das Personal des Aussichtsturmes hochfährt, die aber ab Tmavý potok für Radlfahrer ganz und für Fußgänger ebenso wie der Weg nach Frantův most von 1. Oktober bis 30. Juni gesperrt ist. Auf den letzten Metern zum Aussichtsturm erspähte ich links im Windwurf noch eine Holzplattform mit Zugangsstufen, die mir im Moment etwas seltsam vorkam, deren Zweck ich aber später noch entdecken sollte. Zuvor waren aber noch andere Dinge angesagt, zum Beispiel gleich als Erstes die Besteigung des Turmes. Der größte Teil der 227 Stufen ist ganz harmlos und die Wände zeigen Fotos von der Artenvielfalt im Polednikgebiet. Oben folgen dann drei Ausstellungsstockwerke, für die 30 Kronen Eintritt zu entrichten sind. In ihnen erfährt man ein paar Hintergründe zur Geschichte der Region, zu Kyrill und seinen Folgen sowie über das Leben im militärischen Aussichtsturm. Von der obersten Ausstellungsebene geht es dann zunächst über eine steile Holzleiter in ein Kabuff und von diesem durch einen engen Leiterschacht, in dem man den Rucksack besser abnimmt, hinaus auf die Aussichtsplattform. Für Fotos von diesem „Wegabschnitt“ war es zu eng und zu viel Betrieb, aber schwindelfrei sollte man schon sein. Draußen wurde ich mit einem trotz einiger Wolken feinen Rundumpanorama belohnt, im Gegensatz zu gestern zeigte sich der Arber in voller Prominenz samt Mittagsplatzl, und auch der Boubín dominierte unübersehbar den Osten. Da doch ein bisserl der Wind pfiff, stieg ich nach fünf Minuten wieder hinunter und nahm den Kiosk ins Visier. Das Gambrinus war trinkbar und die Bratwurst auch ganz ok, nur der scharfe Senf war nicht ganz so meine Sache. Dafür war es erneut angenehm ruhig, obwohl der Sitzbereich gut gefüllt war. Auch der offene Kamin sorgte für willkommene Erwärmung, es wäre aber auch ohne ihn nicht unangenehm kühl gewesen. Ich hatte noch endlos Zeit, also blieb ich fast eine Stunde sitzen und sah mich vor dem Weitergehen noch hinter dem Turm um. Und siehe da, dort gibt es auf einem kleinen Felsen ein kleines Gipfelkreuz, vor dem auch Tina und Gina etwas frische Luft schnuppern durften. Anschließend folgte ich noch den Pfadspuren, die auf den breiten Nordrücken hinunter zum Skalka führen würden. Da ich nicht genau wusste, wo hier oben I. zóna ist und ob es einen Abstieg Richtung Frantův most gibt, verzichtete ich auf diesen Abstecher, der die Tour im Falle einer Rückkehr zum Poledník um fünf Kilometer und 75 Höhenmeter und damit definitiv aus dem Genussbereich verlängert hätte, wobei es auch nicht sicher ist, ob der Skalka lohnende Aussicht zum Beispiel zum Prášilské jezero zu bieten hat. Außerdem gibt es hinter dem Aussichtsturm noch ein kleines eingezäuntes Gelände, einen der Notübernachtungsplätze für Fernwanderer, die entlang der Grenze unterwegs sind und den Abstieg in die doch etwas entfernt liegenden Dörfer nicht mehr schaffen. Nachdem ich das alles gesehen hatte, machte ich mich noch auf die Suche nach dem Hintergrund für die seltsame Plattform im Windwurf und wurde schnell fündig: Ähnlich dem Ruckwiesberg hat auch der Poledník seinen Windwurfpfad, auf dem man aus der Nähe die Effekte betrachten kann, die Kyrill verursacht hat. Dieser Pfad endet nicht am Abzweig, an dem ich heraufgekommen war, sondern etwa 100 Meter westlich davon in der Kurve, in der der Pfad nach Frantův most von der Straße abzweigt, also am für mich genau richtigen Fleck. Der Eingang zu diesem Pfad war etwas schwierig, weil riesenpfützig, aber mit etwas Auge und Achtsamkeit schaffte ich es, nicht mehr als feuchte Stiefelsohlen abzubekommen. Die nächsten vier Kilometer sind der schönste Abschnitt der Runde und es ist auch absolut klar nachvollziehbar, warum diese Ecke so stark geschützt wird. Die obere Hälfte ist ein schmaler, aber gut befestigter Bergpfad durch eine Flora, wie sie im Šumava eher selten anzutreffen ist. Zwischendurch versteckt sich links des Weges eine kleine, nett gefasste Quelle, bevor es auf einer Forststraße weitergeht. An einer Abzweigung, an der links abgebogen werden muss, finden sich Hinweise auf eine Wüstung, denen ich aber aus Rücksicht auf das Wegegebot nicht nachging, obwohl der Weiterweg zu ihr auf der Forststraße verlaufen wäre. Fast jeder Schritt bringt neue Eindrücke, bis auf einmal vor mir ein ganz ordentlicher Fluss auftauchte, durch den eine mit Platten befestigte Furt führte – Frantův most war erreicht. Ein kurzer Blick nach links verriet mir glücklicherweise die Umgehung für Fußgänger, allerdings ist das Brückerl, das den Fluss überquert, nichts für schwache Nerven. An der Furt rastete ich ein letztes Mal für heute, genoss das Plätschern des Prášilský potok über den kleinen Wasserfall unmittelbar unterhalb der Furt und würgte das letzte Stück Apfel hinunter. Ab jetzt verlief der Weg auf einer Forststraße mit nur noch minimalem Gefälle, waren doch auf den letzten fünf Kilometern bis Prášily nur noch 60 Höhenmeter zu verlieren. Langweilig wurde es trotzdem nicht, dafür sorgte neben den immer neuen Facetten des Prášilský potok unter anderem ein Huskygespann, das mir zuerst entgegenkam und mich fünf Minuten später von hinten überholte. So kam es, dass ich kurz vor 17 Uhr wieder in Prášily eintrudelte, nach einem kurzen Nickerchen noch eine Portion Eis genoss und am Abend Jana bei der Verinnerlichung von „Yes I can“ half, weil Tomáš und Bohunka zum Einkaufen nach České Budějovice (Budweis) gefahren waren und Jana ungewohnterweise für die Pensionsgäste kochen durfte, was ihr zumindest bei den Čevapčiči für mich auch souverän gelang. Es war zwar ungewohnt, sie mit Senfsoße und Salzkartoffeln statt der aus Kroatien gewohnten Paprikasauce und Reis serviert zu bekommen, aber warum nicht mal etwas anders?
Schlagwörter: bavorska cesta, frantuv most, lisci diry, polednik, prasilske jezero, prasilsky potok, prasily, predel, tmavy potok, windwurfpfad