Begegnungen und Besonderheiten im Böhmerwald
Tour solo, T1, 20,11 km, 579 hm, 6 3/4 h, Ausgangspunkt Gerlova hut‘ (KT)
Die Vorbereitung zu dieser und den beiden nächsten Touren war etwas chaotisch. Eigentlich wollte ich mir ein Zimmer in Železná Ruda nehmen, aber da war am Donnerstag bereits alles ausgebucht. Als Rettung kam dann das Gästehaus Bergblick in Bayerisch Häusl, das zwar etwas teurer als die böhmischen Unterkünfte, aber mindestens genau so schön und liebevoll geführt ist. Dadurch musste ich halt die in Kdyně umgetauschten Kronen zum Tanken verwenden und das Zimmer mit Euro bezahlen statt wie geplant umgekehrt, aber das war nicht weiter tragisch. Nach einem kurzen Zwischenstopp bei der Infostelle der Nationalparks im Grenzbahnhof, bei dem ich Widersprüchlichkeiten zwischen den Internetseiten der bayerischen und tschechischen Seite klärte, konnte ich gegen halb zwölf in Gerlova hut‘ losgehen.
Der größte Nachteil von Wanderungen in Tschechien ist der meistens recht hohe Asphaltanteil. Auch dieses Mal war es nicht anders, so verliefen die ersten drei Kilometer komplett auf dem ungeliebten Untergrund. Das heißt aber nicht, dass diese Abschnitte uninteressant oder gar langweilig wären. Nach einem ersten Waldabschnitt erreichte ich eine Wiese, die auch gleich Naturschutzgebiet ist, was ich angesichts des wunderbar herummäandernden Bächleins absolut nachvollziehen kann. Mittendrin steht, ergänzt durch eine zweisprachige Infotafel, das gut erhaltene und wohl als Forsthaus genutzte Gebäude der ehemaligen Glasschleife Nový Brunst. Ja, Glasschleifen gab es früher im Böhmerwald wie heutzutage Aldi-Filialen in fast ganz Europa (außer Österreich, da heißen sie Hofer). Auf der nächsten, kleineren, Lichtung verzweigt sich endlich der Weg. Während die Radlfahrer auf Asphalt weiterfahren dürfen, werden Wanderer auf einen angenehmen Waldpfad geleitet, der zwar gleich darauf noch einmal die Radlstraße quert, aber dann erst einmal im Wald bleibt. Jetzt geht es etwas bergauf und es dauert nicht lange, bis man rechts unmarkiert zum höchsten Punkt dieses Querrückens abbiegen kann. Besonders lohnend ist es nicht, sofern man nicht Gipfel(chen) sammelt, hinzu kommt, dass man schon ein extrem präzises GPS braucht, um den höchsten Punkt genau zu definieren. Denn eine der Besonderheiten der dieser Runde ist, dass die eigentlich für den gesamten Böhmerwald typischen Gipfelfelsen und sonstigen Felsriegel komplett fehlen. Zurück am markierten Weg erreichte ich bald den Ort der ehemaligen Glasschleife der Familie Schmaus, in tschechischer Schreibweise Šmauzy genannt. Hier kommt ein Weg vom Sattel zwischen Habr und Pancíř herunter, auf dessen Fortsetzung seltsame weiße Bändchen mit tschechischem Aufdruck an jeden dritten Baum angebracht waren. Des Rätsels Lösung überholte mich bald in Form von jeder Menge Läufer, die den Horský Půlmaraton, also Berghalbmarathon Šumava liefen. Die Erkenntnis, die ich daraus zog, war die, dass es unter Sportlern auch in Tschechien kein formales Dobrý den gibt, sondern einfach mit Ahoj gegrüßt wird. Ein ziemlich verschlammter Hohlweg wurde sowohl von mir als auch den Läufern links im Wald umgangen und dann war es auch schon wieder erst einmal vorbei mit dem weichen Untergrund. Weiter ging es wieder auf Asphalt bis zum Abzweig U Obrázku, an dem sich mein Weg von dem der Läufer trennte. Hier verwirrte mich zunächst einmal ein Verbotsschild für Fußgänger, welches aber nur im Winter bei Loipenbetrieb gilt. Im Sommer ist der von mir gewählte Weg zwar nur markierte Fahrradtrasse, aber Fußgängern trotzdem erlaubt, weil es sich nicht um ein Naturschutzgebiet handelt. Aus diesem Grund wäre es auch legal gewesen, wenn ich die Forststraße nach links verlassen und die etwa 100 Höhenmeter zusätzlich über den Gipfel des Jedlová mitgenommen hätte. Ich tat es nicht und erreichte nach etwa einer halben Stunde ohne weitere Begegnungen eine Infotafel zum ehemaligen Dorf Suché Studánky, von dem nur noch eine Kapelle übrig ist. Am dazugehörigen Wegabzweig bog ich links ab, packte bei der Kapelle wieder die Stöcke aus und erreichte zunächst auf Schotter, später auf einem Waldweg nach einer weiteren Viertelstunde den Hauptkamm der heutigen Tour. Von diesem Abzweig aus war es auch nicht mehr weit zum Gipfelplateau des Můstek, auf dem früher einmal eine Schutzhütte stand, die jedoch in den 1990er Jahren abbrannte und nicht mehr wiedererrichtet wurde. Der höchste Punkt liegt etwas abseits des Weges ziemlich unscheinbar im Gestrüpp und ist auch nur mit einem trigonometrischen Punkt samt Stange gekennzeichnet. Danach folgt der jetzt kombinierte Rad- und Wanderweg mehr oder weniger der Kammlinie, wobei auch am Habr der Gipfel links liegen gelassen wird und einen Umweg von etwa 150 Strecken- und 15 Höhenmetern bedeutet. Ebenso wie am Šmauzy lohnt sich dieser Umweg kaum bis überhaupt nicht. Anders stellt es sich mit dem Pancíř dar. Er ist zwar 20 Meter niedriger als der Můstek, aber halt dank seiner Randlage am Südende des Kamms ein exzellenter Aussichtspunkt und dementsprechend touristisch genutzt. Immerhin führt vom Kamm her ein hübscher Waldpfad auf den Gipfel, auf dem es die nächste Begegnung, dieses Mal mit einer größeren Jugendgruppe gab, die aber eigentlich ganz lieb war und mich trotz einer wohl intensiven Erklärung irgendeiner Gegebenheit vor Ort durch eine der erwachsenen Begleitpersonen ohne Verzögerung passieren ließ. Zwei Minuten später war ich am Gipfelrestaurant mit Aussichtstürmchen angekommen und konnte zum leider nur hellen Bier (Schwarzbier war wie einige Speisen bereits aus) ein ganz ordentliches Schweinegulasch genießen. Die böhmischen Knödel waren zwar etwas zäh zu schneiden, aber geschmacklich ebenfalls ok. Bei 95 Kronen (3,60 Euro) sollte man sowieso nicht meckern. Den Aufstieg auf den Aussichtsturm nahm ich wieder einmal ohne Rucksack, aber mit Garmin in Angriff, wobei die Trackaufzeichnung an dieser Stelle etwas ungenau ist. Positiv ist oben vor allem, dass man alle Fenster öffnen kann und damit saubere Fotos bekommt. Nach insgesamt einer Stunde Rast machte ich mich auf den Abstieg, der zunächst unter der herrlichen historischen Einersesselbahn verlief. An der Mittelstation bog ich nach Osten ab, vorbei am absolut hässlichen Hotelklotz Orea Richtung Regenquelle. Diese liegt etwa 100 Meter oberhalb des Weges im Naturschutzgebiet, ist also eigentlich nicht erreichbar, zumindest nicht immer. Da aber ein deutlicher Pfad hinführt, bin ich ausnahmsweise doch hingegangen und habe neben einem Foto auch noch ein bisserl Wasser in meine Trinkflasche nachgefüllt. An der Abzweigung Prameniště Řezné bog ich rechts ab und folgte der gelb markierten Abkürzung auf dem Waldweg nach Gerlova hut‘, geradeaus wäre ich wieder in Nový Brunst herausgekommen und hätte auf dem Anstiegsweg auf Asphalt zurückgehen müssen. So erreichte ich kurz nach 18 Uhr wieder mein Auto und kam nach dem Tankstopp vor der versprochenen Zeit in der Unterkunft an.
Dort stellte ich fest, dass ich neben der Haussauna eine Badewanne zur Verfügung hatte und nutzte sie gleich zur Regeneration, auch wenn ich weder ein Schaumbad noch einen meiner Wohlfühlsticks dabei hatte. Zuvor konnte ich aber auf dem kleinen Balkon genießen, wie die Sonne hinter Brennes verschwand und sogar ein Bild davon durch die Bäume im Garten des Gästehauses machen.
Schlagwörter: gerlova hut, habr, kremelna, mustek, novy brunst, pancir, regenquelle, smauzy, zelezna ruda