Zum Abschluss über den Schafreuter
Tour solo, T3+, I, 11 km, 315 hm Aufstieg, 1340 hm Abstieg, 6 3/4 h, Ausgangspunkt Tölzer Hütte (SZ)
Die zweite Nacht in der Tölzer Hütte war etwas schlafreicher als die erste, aber trotzdem bereits vor sieben Uhr zu Ende. Der Sonnenaufgang war nicht so grandios wie am Vortag, also sparte ich mir die Fotos und nahm mir lieber noch etwas Zeit, richtig wach zu werden, außerdem musste ja dieses Mal alles inclusive Hüttenschlafsack wieder in den Rucksack und mitgenommen werden. Zum Frühstück genehmigte ich mir eine Scheibe Brot mehr als sonst, sparte mir dafür das Lunchpaket, weil ich erstens noch drei Äpfel von daheim im Rucksack hatte und zweitens ein Einkehrschwung in der Oswaldhütte nicht auszuschließen war, bezahlte die Rechnung und startete für meine Verhältnisse exorbitant früh Richtung Schafreuter.
Der Pfad beginnt unmittelbar hinter der Hütte und ist trotz aller Serpentinen erst einmal endlos steil. Dabei wechseln sich geschotterte Abschnitte mit glatten Felsplatten ab, die bei Nässe nicht unproblematisch sind. Das Ganze zieht sich hin, bis die Gratschulter erreicht ist, die nach Osten hin zum Torjoch abfällt, also etwa bis zur 2000-Meter-Marke. Hier folgt ein relativ flaches Stück bis zu einer Ansammlung von riesigen Steinmännern, die auch mit tibetischen Gebetsfahnen geschmückt sind. Oberhalb steilt der Südostgrat noch einmal richtig auf und wird rassig-felsig, weit jenseits meiner Fähigkeiten. Aber glücklicherweise gibt es einen Umgehungsweg in der Südflanke, der ohne größere Schwierigkeiten machbar ist. Stöcke sind hier aber eher hinderlich, weil es an einigen Stellen und vor allem auf den letzten 25 Höhenmetern doch Handeinsatz braucht. Gut, dass ich seit ein paar Wochen einen neuen Rucksack habe, der mit Schlaufen für die Stöcke ausgestattet ist. Wer jetzt fragt, warum das vorher nicht der Fall war, dem sei mitgeteilt, dass ich bisher mit meinem alten Studirucksack unterwegs gewesen war, den ich mir vor mindestens 15 Jahren für die Uni zugelegt hatte. Die angesprochenen letzten 25 Höhenmeter sind dann sogar seilversichert, was in einigen Hikr-Berichten als überflüssig abgetan wird, ich aber nicht so pauschal aburteilen will. Klar, wenn ich in den letzten fünf Jahren nicht in Schwandorf gesessen wäre und mich vor allem in Mittelgebirgen herumgetrieben hätte, sprich in voller Alpinübung wäre, hätte ich die Fixseile auch nicht benutzt. So haben sie mich schon ein bisserl beruhigt, auch wenn ich wohl auch ohne sie nicht runtergefallen wäre. Im Abstieg hätte ich mit dem Schlusskamin wohl ernsthafte Probleme gehabt, so dass ich wieder einmal froh war, am Mittwoch auf der Moosenalm die Gipfelziele umgedreht zu haben. Es gibt zwar eine Umgehung nach Nordwesten zum Grat vom Kälbereck, ob ich die allerdings von oben aus gefunden hätte, lasse ich mal offen. Zwei Minuten nach mir kam die Gruppe aus dem Raum Auerbach / Pegnitz, die ebenfalls auf der Hütte übernachtet hatte, am Gipfel an und war eine halbe Stunde schneller als ich. Dafür hatten sie aber unterwegs wohl zusammen weniger Fotos gemacht als ich alleine und gingen auch nach vielleicht zehn Minuten weiter, während ich eine halbe Stunde lang die Atmosphäre und Beinahe-Einsamkeit auf dem Gipfel genoss. Auch hier ist das Gipfelbuch in einer Fußballtüte, allerdings vom anderen der beiden großen Münchener Vereine. Noch einmal: Was soll der Blödsinn, Fußball spielt man im Tal und nicht auf Gipfeln mit gerade mal 35 Quadratmetern halbwegs ebener Fläche. Punkt zehn Uhr machte ich mich dann wieder mit ausgefahrenen Stöcken an den Abstieg Richtung Moosenalm. Dieser ist wirklich ganz einfach, die größte Gefahr ging nicht von der nahen Gratkante oder gar der Schräge der Almwiese aus, sondern von den Tretminen, die von Kühen und anderen Weidetieren in den vergangenen Tagen hinterlassen worden waren. Also keine Gefahr für Leib und Leben, sondern eher für die Sauberkeit der Stiefel und Stöcke. Auf etwa 1850 Metern begann die Latschengasse, die an einigen Stellen etwas matschig und an anderen etwas mit speckigem Felsschliff durchzogen war, aber sonst ebenfalls kein Problem darstellte. Der Weg wurde scheinbar erst kürzlich von der Sektion ausgemistet, lediglich ein querliegender Ast wurde dabei übersehen und musste mit etwas mehr Beinhub als sonst überschlendert werden. So war es wenig verwunderlich, dass ich trotz jeder Menge Fotos gerade mal eine gute Stunde später unten am Abzweig ankam, an dem ich am Mittwoch den direkten Weg zur Tölzer Hütte gewählt hatte. Zwei Minuten später fragten mich zwei Mädels, ob es noch einen Abzweig zum Gipfel gäbe, weil sie keinen Weg durch die Latschen oberhalb des Weges finden würden. Hätten sie geradeaus geschaut, wäre ihnen der Wegweiser ins Auge gestochen, vielleicht waren sie aber auch etwas kurzsichtig, was natürlich angesichts des Panoramas oben am Gipfel schade wäre. Kurz darauf war ich wieder bei der Almhütte, wo ich einen Apfel genoss und dem Senner dabei zusah, wie er einen Spezl mit seinem Jeep ins Tal hinunterbrachte. Er hat mich nicht gefragt, ob ich mitfahren wollte, aber ich hätte sowieso abgesagt. Ein Paar mit superliebem Hund oben im Almgelände hatte mir verraten, dass es im Abstieg wohl angenehmer wäre, statt des alpinen Steigs, der sowieso nicht mehr markiert wird, die Forststraße zu nehmen, also blieb ich bei meiner ursprünglichen kniefreundlichen Planung. Dieser Steig soll zwar wunderschön sein, aber eben auch extremst steil, und ich wollte kein Risiko eingehen, obwohl meine Knie in diesem Jahr eigentlich ganz friedlich gewesen sind. Die nächsten fünf Kilometer waren dann Forststraße durch den Wald, also nichts Weltbewegendes. Erst ein paar Meter Gegenanstieg bis zur Einmündung des Fußsteiges, dann stetig abwärts, mal etwas flacher, mal etwas steiler, aber immer geländewagentauglich. Unterwegs stieß ich auf eine Hütte am Straßenrand mit ein paar Kühen davor, die einfach nur faul herumlagen und auf etwa 1200 Metern auf ein Bankerl mit Aussicht ins Rißtal, das von der Forstverwaltung Mittenwald gestiftet worden war. Es ist zwar schon ein bisserl baufällig, aber man kann noch gefahrlos drauf sitzen. Eindreivviertel Stunden inclusive mehrerer kurzer Pausen nach der Moosenalm, ich hatte ja Zeit, war ich unten am Parkplatz mit dem Einstieg zum Fußpfad und packte die Stöcke wieder zusammen, auf den letzten beiden Kilometern entlang der Staatsstraße brauchte ich sie definitiv nicht mehr. Ich hätte auch nicht zwingend einen Einkehrschwung in der Oswaldhütte gebraucht, und noch weniger ein richtiges Mittagessen, aber ich war der Meinung, es mir verdient zu haben, also setzte ich mich in den schönen Biergarten und genehmigte mir ein Dunkles von einer kleineren Brauerei in der Gegend, das wesentlich besser schmeckte als das Hacker-Pschorr auf der Tölzer Hütte, sowie eine Portion Kassler auf Kraut. Dieses war ebenfalls genauso lecker wie es aussah. Hier traf ich auch wieder auf den Senner und seinen Spezl, die am Nebentisch genüsslich ein oder zwei Radler hinunterzischten, den Hund aber im in der prallen Sonne stehenden Auto sitzen ließen. Die Fenster seien ja etwas offen, und wenn er es nicht aushalte, wäre es eh nicht schade um ihn. Tztztz. Ich hatte immer noch jede Menge Zeit, weil man ja derzeit später am Tag günstiger tanken kann, also blieb ich insgesamt über eine Stunde sitzen, bevor ich die letzte Etappe zurück zum Auto in Angriff nahm. Dabei konnte ich mich von der Öffnungsgröße des Fensterspalts überzeugen, mich wundern, dass der Hund relativ unbeeindruckt aussah und wurde auf den nächsten Kilometern mal wieder Zeugin der Hirnlosigkeit einiger Autofahrer, die scheinbar gar nicht registrieren, dass im Rißtal gelegentlich Fußgänger am Straßenrand unterwegs sein könnten. Kurz vor drei war ich schließlich an meinem Auto, zog mich gemütlich um, verstaute die Ausrüstung im Kofferraum und nahm auf dem Rückweg noch ein paar Fotos vom Sylvensteinsee mit. Die Verkehrsmeldungen für die A9 waren nicht so toll, also bin ich ab Aschheim eine Alternativroute über Freising und Landshut gefahren und sah meine Zeittaktik voll aufgehen, indem ich in Regensburg zu einem sehr günstigen Preis meinen Tank auffüllen konnte. Daheim angekommen erfuhr ich, dass 45 Minuten später die beste Schulfreundin meiner Mutter samt schlechterer Hälfte zum Dinieren kommen würde, was das Mahl auf der Oswaldhütte endgültig zum wohlverdienten Luxus machte.
Die Schwierigkeitsangabe T3+ bezieht sich rein auf den Aufstieg zum Schafreuter von der Tölzer Hütte aus, die Kletter-I auf die angesprochenen letzten 25 Höhenmeter. Der Abstieg zur Moosenalm ist bestenfalls T2, ab dort Forststraße und Fahrstraße, also T1.
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