Rund um und auf den Oblík
Tour solo, T1, 17 km, 580 hm, 5 h, Ausgangspunkt Srni-Mechov (KT)
Nachdem das Wetter in den Alpen in diesem Jahr eher wechselhaft ist und mir außerdem die Schönheit des Šumava so richtig bewusst wurde, habe ich mal kurz nachgerechnet, ob es denn eventuell günstiger wäre, zwei Übernachtungen zu nehmen als drei mal von Schwandorf aus zu den Tourenzielen zu fahren. Das „eventuell“ darf getrost durch ein „deutlich“ ersetzt werden, also machte ich mich auf den Weg nach Prášily und suchte mir dort eine Unterkunft, um drei Genusstouren am Stück zu gehen. Die erste davon führte mich auf den Oblík, einen auf der Karte eher unscheinbaren, aber doch immerhin 1224 Meter hohen Gipfel bei Srní mit mehr als ordentlicher Aussicht. Um die Sache richtig lohnend zu gestalten, umrundete ich dabei den Berg auch gleich noch.
Das Schöne daran ist, dass diese Tour locker als Nachmittagstour durchführbar ist. Ich musste nämlich vor der Abfahrt noch auf einen Anruf warten und konnte deshalb erst um zehn Uhr losdüsen und war nach Herbergssuche und Einchecken in der Penzion Škarda ziemlich genau um 13 Uhr am Wanderparkplatz am westlichen Ortseingang von Srní-Mechov. Von dort aus folgte ich bei 14 Grad mit Regenjacke über dem T-Shirt dem auch für Radlfahrer geeigneten Weg entlang eines kleinen und fast ausgetrockneten Kanals, der nach 500 Metern den Wanderweg nach Srní kreuzt, auf dem ich später wieder zurückkommen sollte. Gleich nach der Kreuzung ist der Grund für die Wasserknappheit im Kanälchen ersichtlich: Ein Pumpwerk befördert das Wasser, das auf dessen anderer Seite reichlich und fröhlich dahinfließt, unterirdisch Richtung Srní. Das ganze nennt sich Vchynicko-Tetovský-Kanal und zweigt unterhalb von Modrava von der Vydra ab. Diesem Kanal mit benachbartem Weg folgte ich bis zum Abzweig Ke kapli mit seiner witzigen Kanalbrücke, an dem ich zur Ruine der Hauswaldkapelle hinaufging. Diese Ruine ist inzwischen schon wieder ein kleiner Wallfahrtsort, war aber während des Kalten Krieges den militärischen Bedürfnissen des Warschauer Paktes zum Opfer gefallen. Oberhalb der Kapelle gibt es eine Quelle, dessen Wasser über ein hölzernes Aquädukt in ein hübsches Becken direkt am ehemaligen Eingang geleitet wird. Neben dem Becken stehen Tassen, aus denen jeder von dem Wasser, das natürlich heilende Kräfte hat, trinken kann. Das Ganze ist übrigens gratis, in Deutschland und der Schweiz überhaupt nicht und in Österreich noch weniger vorstellbar. Nach einer kleinen meditativen Rast, bei der ich einfach nur das Plätschern der Quelle auf mich wirken ließ, folgte ich dem Aquädukt bis zur tatsächlichen Quelle und ging von dort aus auf dem Wanderweg weiter nach Süden. In diesem Abschnitt ist er als Themenweg für den böhmischen Dichter Karel Klostermann hergerichtet, dessen schönste Gedichte in unregelmäßigen Abständen auf Holztafeln am Wegesrand zu lesen sind. Leider beschränkt sich mein tschechisch auf fünf oder sechs Begriffe, von denen ich höchstens einmal „dobre“ in den Gedichten finden konnte, soll heißen, ich habe leider nichts davon verstanden. Nach knapp zwei abwechslungsreichen Kilometern und etwas Auf und Ab kam ich zurück zum Kanal und wenige Meter später an den Abzweig Hakešická cesta, an dem ich nach rechts Richtung Pod Oblíkem abbog. Ab jetzt ging es knapp zwei Kilometer relativ steil bergauf (und in die Gegenrichtung bergab, was die tschechischen Behörden zu einem witzigen Warnschild für Radlfahrer verleitete) und im weiteren Verlauf nach Javoří pila auch wieder ein bisserl bergab. Unfreundlicherweise begann es kurz vor Hakešická cesta leicht zu regnen, freundlicherweise aber nur leicht und nur etwa vier Minuten lang, so dass die Kapuze in der Regenjacke bleiben konnte. Zwischendurch gelang es mir, eine Meise auf einem Ast so zu fotografieren, dass das Ergebnis auch scharf und unverwackelt wurde, leider aber zu dunkel, um in diesem Bericht berücksichtigt zu werden. Javoří pila ist in der Karte als bývala (Wüstung) verzeichnet, allerdings konnte ich außer einem wunderschönen Hochmoor, das überraschenderweise nicht vollständig I. zóna NP ist, nur einen feinen Rastplatz entdecken. Die nächsten 400 Meter folgte ich nach rechts der Asphaltstraße, die von Modrava herkommt und zum Poledník weiterführt, bis zum Abzweig Tmavý potok, von dem aus der Weg wieder nach rechts hinauf zum Sattel und Gipfel des Oblík abzweigt. Der Weiterweg zum Poldeník ist ab hier die längste Zeit des Jahres gesperrt, eine besondere und begrüßenswerte Naturschutzmaßnahme. Radlfahrer müssen sogar immer rechts abbiegen, weil sie mit ihrem Tempo einige seltene Tierarten scheinbar ganz extrem stören. Dafür darf das Personal des Polednik-Aussichtsturms mit dem Geländewagen hochfahren, aber das sind ja nur zwei Fahrzeuge pro Tag und Richtung während der sowieso stark eingeschränkten Öffnungszeiten. Auf etwa 1100 Metern kam mir ein Feuerwehrauto aus Kvilda entgegengebraust, keine Ahnung, was die Jungs vorhatten, zumindest konnte ich nirgend Rauchspuren entdecken. Vielleicht gehörte das Fahrzeug zur Absicherung des Filmsets, an dem ich zwischen Prášily und Mechov vorbeigekommen war, und wollte den Heimweg ein bisserl abkürzen. Ohne weitere Ereignisse, aber mit immer wieder schöner Szenerie, erreichte ich gegen 15.30 Uhr den Sattel Za Oblíkem, von dem aus ein angenehmerweise nicht asphaltierter Weg zum Gipfel hinauf führt. Dieser macht auf halbem Weg einen scharfen Knick nach links und wird ab dort zu einem richtig hübschen kleinen Bergpfad. Mittlerweile hatte die Sonne doch deutliche Lücken in die Wolkendecke gerissen und auch für gute Sichtverhältnisse gesorgt, so dass ich trotz ein bisserl Wind eine halbe Stunde auf dem Gipfel verblieb und das Rundumpanorama genoss. Ok, nach Westen hin ist der Poledník im Weg, so dass der Arber nicht sichtbar ist, dafür präsentieren sich Rachel, Lusen samt nördlichen Trabanten und im Osten der Boubín von ihrer besten Seite. Ja, ich finde die Nordostseite des Rachel noch schöner als die anderen, die man von den Bayerwaldgrößen aus bewundern kann, was vielleicht am Seltenheitswert der Perspektive liegt. Zwischen Poledník und Rachel ist auch das Bischofsmaiser Skigebiet zu erkennen, in dem ich vor fünf Wochen unterwegs gewesen bin. Anschließend kehrte ich auf dem Aufstiegsweg zurück zum Sattel und bog dort nach Norden ab, um die Umrundung zu vollenden. Ganz nebenbei ist der Rückweg auch nur halb so lang wie der Aufstieg und mindestens genauso interessant, weil zum Beispiel ein Wiesel zuerst über den Weg rannte und dann noch einmal umkehrte, um für ein Foto zu posieren. Zunächst geht es in leichtem Gefälle auf der Asphaltstraße weiter bis zum Abzweig Vaňkova cesta, an dem ich einmal mehr rechts abbog und einem feinen Waldweg folgte, der bald etwas steiler wurde. Als es wieder flacher wurde, wurde es mal wieder richtig interessant für die Wüstungsforscherin in mir, denn der Weg führt mitten durch ein ganzes Ruinendorf oder zumindest dessen Grundmauern. Ja, dieses Gebiet war leider von 1948 bis 1990 Teil des Truppenübungsplatzes Dobrá Voda, wo die Militärs natürlich keine Rücksicht auf Gebäude nahmen, vor allem, wenn sie zuvor von Deutschen bewohnt wurden. Die Geschichte des Böhmerwaldes ist manchmal für mich noch spannender als die Landschaft, und die Hochebene von Prášily ist eines dieser Gebiete. Bei diesen Ruinen handelt es sich laut Karte um die ehemalige Siedlung Zelenohorská hut‘, ob die deutsche Bezeichnung Kaltenbrunn zu ihr gehört oder wie auf mapy.cz ersichtlich eine eigene Wüstung eine Lichtung weiter östlich ist, kann ich im Moment nicht zweifelsfrei bestimmen. Am Ende der Siedlung stößt der Weg jedenfalls auf den Fernwander- und Radweg von Prášily nach Srní, dem ich wie immer am heutigen Tag nach rechts folgte und 20 Minuten später wieder am Kanälchen ankam. Dort bog ich zum einzigen Mal nach links ab und war gleich wieder zurück am Auto. Anschließend suchte ich noch vergeblich in Srní nach einem Restaurant zum Abendessen, was aber nicht weiter wild war, weil sich die Kochkünste von Tomáš in der Unterkunft als durchaus brauchbar erwiesen, insbesondere wenn man den Preis von 90 Kronen für ein Stück überbackenen Schmelzkäse mit kleinen Kartoffeln und Salat berücksichtigt.
Schlagwörter: hauswaldkapelle, javori pila, oblik, srni, srni-mechov, vchynice-tetov-kanal, zelenohorska hut'