Einsamer als erwartet – unterwegs auf dem Kamm der Acht Tausender
Tour solo, T3, I, 15,66 km, 592 hm, 6 1/4 h, Ausgangspunkt Schareben (REG)
Die Acht Tausender sind eine Kammüberschreitung im Bayerischen Wald, für die hübsch Werbung gemacht wird. Sie hat nur den einen Nachteil, dass man entweder ein zweites Auto braucht oder auf den nicht gerade überragenden ÖV angewiesen ist. Es gibt aber Möglichkeiten, seitlich zu einzelnen Wegpunkten aufzusteigen und somit Abschnitte des Kammes zu gehen. Mit genau dieser Absicht machte ich mich auf den Weg nach Schareben oberhalb von Drachselsried.
Laut Karte und Wegweisern kann man auch von Arnbruck aus hinauffahren. Allerdings steht kurz nach dem Ortsende am Waldrand ein Fahrverbotsschild. Also bin ich umgedreht und über Drachselsried und Oberried hinaufgefahren und trotzdem noch ziemlich pünktlich angekommen. Am Parkplatz steht dann Richtung Arnbruck das gleiche Verbotsschild mit dem Zusatz 7,5 Tonnen. Klasse. Die Schilder sollten auch im weiteren Verlauf zu einem der zentralen Themen des Tages werden.
Zunächst marschierte ich ins Fahrverbot hinein und wählte an der ersten Weggabelung den rechten, höheren Abzweig. Hier gab es noch etwas Gegenverkehr, ein Holztransporter wurde von einem Kombi mit Waldarbeitern verfolgt. Scherzerl. Abgesehen davon waren die ersten 3,5 Kilometer sehr eintönig. Immer ziemlich flach dieser Forststraße entlang. Schilder? So gut wie Fehlanzeige. Ich wusste nur von einem Wegweiser ziemlich am Anfang, dass es geradeaus auf einem „bequemen Weg“ zum Mühlriegel und nach Eck gehen sollte. Langsam wurde ich unruhig, denn es sollte doch von links die Steinerne Gasse heraufkommen und nach rechts zum Waldwiesmarterl weiterführen. Tat sie dann auch, aber ohne Hinweisschild. Hätte ich nicht an einem Baum 15 Meter bergaufwärts von einer relativ unscheinbaren Abzweigung die Markierung „10“ entdeckt, wäre die Tour ein paar Kilometer länger geworden. Auf dem weiteren Verlauf gab es vielleicht noch vier oder fünf derartige Hinweise. Nach zehn Minuten war ich dann oben am Waldwiesmarterl und machte erst einmal Brotzeit. Ab hier ging es auf dem Goldsteig weiter, aber vor allem auch auf einem Wanderweg der Gemeinde Lohberg. Und da schau her, plötzlich war alles wunderbarst gekennzeichnet. Als ich nach der Tour die Schareben-Wirtin fragte, erzählte sie mir, dass die Gemeinde Drachselsried sich da scheinbar überhaupt nicht drum kümmert. Die Gemeinde Arnbruck eindeutig genauso wenig. Im Nationalpark, aber auch im Landkreis Cham, wäre das undenkbar. Aber zurück zum Positiven der Tour. Es ging zunächst leicht, später etwas steiler bergauf Richtung Schwarzeck. Zunächst kam ich an zwei besteigbaren Vorgipfeln vorbei, die weder markiert noch bekreuzt oder besteinmannt waren. Nachdem ich nicht wusste, wie die Kennzeichnung aussehen würde (also Marke Drachselsried / Arnbruck oder Lam / Lohberg), bin ich auf beide hinaufgestiegen. Waren ja nur jeweils fünf Höhenmeter zusätzlich, wobei ich beim ersten bei der Hälfte stehengeblieben bin, der letzte Aufschwung war mir doch zu ausgesetzt und haarig. Ja, das Vertrauen in meine technischen Fähigkeiten war schon mal besser und mein Vertigo wesentlich niedriger. Den zweiten mit etwas anspruchsvollerem Pfad kann man bequem links umgehen, ist ebenfalls markiert. Nach (laut Wegweiser am Waldwiesmarterl) 1,4 Kilometern tauchte dann fast aus dem Nichts auf der linken Seite ein Gipfelkreuz auf. Es steht zwar nicht auf dem allerhöchsten Punkt des Schwarzecks, wurde aber scheinbar von einem Verein aus Lam oder Lohberg aufgestellt und ist deshalb auf dem höchsten Riegel mit Aussicht nach Nordosten. Diese nutzte ich zu ein paar Fotos und dem ersten Viertel meines Apfels. Als ich wieder losgehen wollte, traf ich auf 50 Prozent der Menschen, denen ich auf dieser Tour begegnet bin, nämlich einem älteren Ehepaar aus Flachdeutschland. Zumindest klang der Dialekt nach NRW. 200 Meter weiter sah ich auf einem weiteren Felsriegel rechts des Weges einen Holzpfosten mit zwei Blechstreifen. Ich stieg hinauf und stellte fest, dass dies der höchte Gipfel des Schwarzecks war. Lesbar waren die Schilder natürlich nur von der dem Weg abgewandten Seite. Egal, die Aussicht ins Zellertal war ganz ok und es gab weitere Fotos. Anschließend ging es einigermaßen steil hinunter in den Reischflecksattel, wo mir letztmals zwei Wanderer entgegenkamen. Der Weg bleibt gut bis sehr gut markiert, lediglich an einer Stelle kurz vor dem Sattel ist die Beschilderung etwas verwirrend, weil die beiden Holzschilder nur „Reischfleck“ und „Schareben“ anzeigen, aber nicht die weiteren Ziele auf dem Goldsteig. Macht aber nix, weil der rechte Weg zu einer weiteren Abzweigung führt, an der man trotzdem zum Reischfleck kommt. Ich bin richtig abgebogen und habe mir geschätzte 25 Meter Strecke gespart. Ab dem Reischfleck geht es dann wieder leicht bergauf, der Anstieg zur Heugstatt, dem fünften Tausender, beginnt. Dieser ist ziemlich unscheinbar, der höchste Punkt dürfte ein kleiner Felsriegel etwas abseits des Weges sein, am offiziellen Gipfel ist ein Steinmann mit dem unvermeidlichen Relief der sogar zwölf Tausender, wobei hier der Kaitersberg mit eingerechnet ist. Diese 33 Kilometer von Bad Kötzting bis zum Arbersee sind schon eine beeindruckende Strecke, das Problem ist nur, dass die Unterkünfte etwas ungünstig positioniert sind. Außerdem ist der erste Tausender auf der Liste eine Irreführung, denn der Kreuzfelsen ist nur 999 Meter hoch und damit KEIN Tausender! Unklar ist auch, welcher Tausender vor dem Schwarzeck kommt, denn das Waldwiesmarterl ist kein Gipfel und der erste Gipfel von dort Richtung Eck (oder der letzte vor dem Marterl) ist unbenannt und auch nicht im Relief enthalten. Naja, mir solls egal sein. Nach einem weiteren Viertel Apfel machte ich mich gleich wieder auf den Weg hinab in den nächsten Sattel, auf dessen anderer Seite der höchste Gipfel des Tages, der Enzian wartete. Auch für ihn gilt das Prinzip der Unscheinbarkeit, wobei zumindest laut Karten der mit einem Schild versehene Riegel der mit 1287 Metern höchste Punkt sein dürfte. Der Enzian ist dank Borkenkäfer und Windwurf ziemlich waldfrei, was eigentlich ein gute Aussicht verspricht. Dumm ist nur, dass nach Südosten gleich die beiden Arbergipfel kommen und auch im Nordosten auf der gegenüberliegenden Seite des Lamer Winkels das Künische Gebirge steht. Alles über 1300 Meter hoch. Aber man kann zwischen den beiden schön durchfotografieren und sieht zumindest zehn Kilometer bis zum nächsten höheren Berg, und nach Süden und Westen gibt es nichts höheres mehr bis zu den Alpen. Für die war es aber leider doch zu diesig. Nach einer etwas längeren Pause mit einer etwas größeren Brotzeit (also der zweiten Semmel des Tages) machte ich mich an den Abstieg. Dieser sollte eigentlich nach ein paar Metern nach rechts zum Schobereck führen, aber da kam das nächste Schild ins Spiel. Dieses stand bereits in Schareben, war recht groß und erklärte ausführlich, dass das gesamte Gebiet zwischen Mühlriegel und Kleinem Arber Schutzgebiet für Auerhühner ist und doch bitte zwischen 1. November und 30. Juni die markierten Wege nicht verlassen werden dürfen. Als brave, naturbewusste Bergpoetin respektierte ich das natürlich auch heute und folgte dem Kammweg bis zur nächsten Kreuzung. Dazwischen lag noch die Enzianwiese, die sich als sehr schönes Hochmoor entpuppte. An der Kreuzung stieg ich dann auf Weg 7 Richtung Drachselsried ab, überquerte beim Hüttlschachten die erste Forststraße und bog zehn Minuten später in die zweite rechts ab. Dies war ein Fehler, denn diese Forststraße endet nach gut einem Kilometer zwar nicht im Nichts, aber doch in einem Wendeplatz, von dem es nur auf einem halbwegs abenteuerlichen Waldweg weiterging. Abenteuerlich hinsichtlich Pfützen, Verschlammung und losem Geäst. Glücklicherweise war es klar erkennbar, wie ich auf dem schnellsten Weg zur nächsttieferen Forststraße kommen würde. Richtig wäre gewesen, Weg 7 erst eine Forststraße weiter unten nach rechts zu verlassen. Vielleicht wäre da sogar ein Wegweiser Richtung Schreben gestanden. Jedenfalls plätscherte es jetzt wieder am Straßenrand und nach etwa einem Kilometer fand ich auf der linken Seite ein Bankerl und eine Art Turm. Diese beiden Dinge sind deshalb wichtig, weil es genau gegenüber von ihnen in den Wald hinauf zum Hochstein geht. Die entsprechenden Schilder sind etwa fünf Meter in den Wald versetzt und nur aus Richtung Schareben zu erkennen. Können sich die Drachselsrieder nicht vorstellen, dass es Gäste gibt, die sich Wandertouren selbst zusammenstellen und nicht nur stur die von der Gemeinde oder dem Bayerwaldverein vorgekauten Routen gehen? Ich war aber glücklicherweise inzwischen darauf vorbereitet und habe den Abzweig gefunden. Zum Hochstein geht es noch einmal steil hinauf, zunächst um den Felsen herum, bevor der Weg am Schluss abflacht und ohne Vorwarnung noch einmal ein schönes Panorama Richtung Süden eröffnet. Das Gipfelkreuz ist durchaus imposant und am Rand heißt es aufpassen: Ein Ausrutscher kann unangenehme Folgen haben, denn es geht doch gut 50 Meter fast senkrecht hinunter. Nach dem nächsten Vierterl und ein paar Fotos stieg ich wieder hinab bis zu einem kleinen Abzweig im Wald, an dem es geradeaus weiter auf halber Höhe Richtung Schareben geht. Dieser Abschnitt ist ein bisserl ausgesetzt und es geht links steil hinab bis zur Forstraße, es sind auch immerhin ungefähr 25 Höhenmeter, also weiter vorsichtig sein. Im Gegensatz zum Osser gibt es hier nämlich keine Sicherungen. Bald wird der Pfad jedoch wieder zum Harvestertrack, womit auch die Markierungen aufhören und ich mich wieder auf meine Intuition (und den Blick hinunter zur Forststraße) verlassen musste. Eine andere, bergauf führende Forststraße wird schilderlos überquert, kurz darauf zweigt ein Pfad nach unten ab, der an einem Baum mit einer „11“ gekennzeichnet ist, also geht es hier weiter. Wenige Minuten später taucht die Berghütte Schareben auf und die Tour geht zu Ende. Auch hier war ich um 16.35 Uhr der einzige Gast, was den Vorteil hatte, dass die Wartezeit extrem kurz ausfiel. Das Drachselsrieder Arber-Dunkel ist durchaus trinkbar, während ich ein bisserl enttäuscht war, dass es keine Brettljausn a.k.a Brotzeitplatte gab. Diese Enttäuschung war aber schnell verflogen, als mir die Wirtin das Schniener Witzel brachte. Geschmacklich einwandfrei, waren auf dem Teller zwei riesige Scheiben Fleisch plus Kartoffelsalat plus Salatmischung. Es ist schon lange nicht mehr vorgekommen, dass ich den Teller nicht geschafft habe und mir die Hälfte des zweiten Schnitzels einpacken ließ. In Schareben war es wieder so weit.
Den noch in Erwägung gezogenen Plattenriegel hob ich mir für die nächste Tour in der Gegend auf. Der Wirt hat mir netterweise ein paar Anregungen mitgegeben. Runtergefahren bin ich dann nach Arnbruck. Die Wirtin hatte Recht, von Drachselsried aus ist die Strecke zwar etwas weiter (falls man aus Richtung Bad Kötzting kommt), aber deutlich angenehmer zu fahren. Im Winter ist die Arnbrucker Zufahrt tatsächlich komplett gesperrt.
Schlagwörter: 8 tausender, drachselsried, enzian, enzianwiese, heugstatt, hochstein, hüttlschachten, reischfleck, schareben, schwarzeck, waldwiesmarterl