Der lange Kamm von Starý Herštejn nach Výhledy
Tour solo, T2, I, 28,82 km, 799 hm, 9 h, Ausgangspunkt Nová hut‘ (DO)
Dass ich diese Tour heute machte, ist eher Zufall. Denn ursprünglich hatte ich geplant, am 20. Juni beim IVV-Wandertag in Lupburg die dort angebotene 30 Kilometer-Strecke zu gehen, um zu testen, ob meine Fitness für die Lusen-Überschreitung ausreicht. Dann teilten mir aber die Herrschaften mit, dass sie an diesem Tag mit meinem kleinen Neffen im Dampfzug unterwegs sein würden und somit nicht Coco versorgen könnten. Folglich bereitete ich mich für Fronleichnam auf diese Tour vor, weil sie die richtige Länge hat und ich im Versagensfall mehrere Abbruchmöglichkeiten habe. Dummerweise wurde Coco dann krank und fraß nichts mehr, so dass ich den Kopf nicht frei hatte (siehe Ronachgeier). Mittlerweile ist sie wieder quietschfidel und zickt wie eh und je, wenn sie zu wenig zu fressen bekommt (natürlich ihrer Meinung nach, würden wir dem folgen, hätte sie nicht gesunde 29, sondern fettleibige 50 Kilogramm). Die nächste Gelegenheit nutzte ich aber.
Ich startete also ziemlich genau um zehn Uhr in Nová hut‘ bei Nemanice, wo ich mein Auto so abgestellt hatte, dass es nachmittags im Schatten stehen würde. Von dort ging ich nach Norden auf dem geschotterten Flurbereinigungsweg (wobei ich nicht weiß, ob es in Tschechien so etwas wie Flurbereinigung gibt) nach Novosedelské hutě und von dort entlang des markierten Radweges nach Norden. Zunächst war die Umgebung Ackerland und Wiesen, später ging es durch den Wald. Während der erste Gipfel, Starý Herštejn, mehrfach sicht- und fotografierbar war, gab es an keiner Stelle eine Möglichkeit, den gesamten Kamm zu betrachten. Dafür änderte sich der Charakter des Waldes gefühlt alle 200 Meter, zudem öffnete sich an mehreren Stellen eine Aussicht hinüber nach Bayern. An der Stelle, wo die Gemeindeverbindungsstraße von Nemanice nach Poběžovice überquert wird, kommt von links der grün markierte Wanderweg hinzu, einige Meter später war ein Teilstück für ein Mountainbikerennen beschildert. Nach insgesamt sieben Kilometern erkannte ich auf der linken Seite ein Meer von Brennesseln und ein paar Unebenheiten, die aus Mauerruinen resultieren könnten (und es auch tun) und wurde ein paar Meter weiter vom Wegweiser bestätigt, dass ich bei der Wüstung Herštejnské Chalupy angekommen war. Hier zweigt der rot markierte Wanderweg hinauf zum Gipfel mit Burgruine Starý Herštejn ab, der sanfter aufsteigt als erwartet. Auch hier setzte sich das Phänomen der ständigen Charakterwechsel fort, so wie eigentlich auch den gesamten Rest der Tour. Der Gipfel selbst ist wieder einmal Naturschutzgebiet, was aber wenig problematisch ist, weil der sowieso sinnvollste Aufstieg zur Ruine auch gleichzeitig der freigegebene und markierte Weg ist. Man kann die letzten Meter über eine kleine, nicht wirklich lohnende Klettereinlage abkürzen, was ich auch tat, weil ich die Markierungen aus den Augen verloren hatte. Oben war erst einmal Brotzeit angesagt, bevor ich den Gipfelgrat nach Aussichtsmöglichkeiten erkundete. Diese gibt es am nördlichen Ende in Richtung Reichenstein sowie nach Norden, wo neben dem Velký Zvon der Přimda recht prominent ist. Der benachbarte Lysá hingegen ist ebenso wie die östlichen Talorte Pivoň und Mnichov (zu deutsch München) vom wuchernden Wald verdeckt. Zm Abzweig etwas unterhalb zurück stieg ich auf dem von oben etwas eindeutigeren erlaubten Pfad und nahm mir dort zwei Minuten Zeit für die nicht nur zwei-, sondern sogar dreisprachige (plus englisch) Infotafel zur Burgruine. Anschließend folgte ich dem laut Karte schnurgeraden, in Wirklichkeit aber doch etwas mäandernden Hauptweg weiter zur Kreuzung Vranovské sedlo und von dort weiter auf den Hauptkamm des Tages. Unterwegs überquerte ich noch einen kleinen Kammgupf mit brauchbarer Aussicht über den weiteren Wegverlauf sowie Nemanice und Waldmünchen, während nach Osten weiterhin nur Baumwipfel das Panorama bildeten. Die ersten 200 Meter nach der Kreuzung sind derzeit Baustelle, eine halbherzige Absperrung existiert aber nur von der Südseite her und diese scheint auch nur auf Fahrzeuge bezogen zu sein. Da es hier trocken war, war es aber nicht wirklich problematisch. Danach war ich wieder auf der Rennstrecke, die für Bikeverhältnisse teilweise richtig abenteuerlich war. Ich hatte hingegen jede Menge Freude an der Abwechslung und einer überraschenden Stelle mit Aussicht nach Osten und zum Lysá und ließ mich auch nicht von diversen Engstellen oder Schlammlöchern ärgern. Den ersten Felsriegel, Malá skála, ließ ich wegen GKK 4 rechts liegen, etwas weiter oben auf dem Kamm zweigte jedoch ein markierter Pfad ab hinauf zur Velká skála, von wo aus die Aussicht Richtung Waldmünchen noch besser, weil absolut baumfrei, war als zuvor am Kammgupf. Dummerweise fielen mir hier bei einer Kontrolle des Garmin die Kartenausdrucke aus der Hosentasche, was ich noch dümmererweise erst kurz vor dem Škarmanka-Gipfel merkte und somit den Rest der Tour komplett auf das Garmin vertrauen musste und damit auch nicht so problemlos abbrechen konnte. Letzteres war aber glücklicherweise gar nicht nötig. Kurz vor dem Hauptgipfel mündete der Pfad in eine gut geschotterte Forststraße, die direkt am Gipfel in einem Wendebogen endete. Dort machte ich eine etwas längere Pause, um mich nicht zu übernehmen. Interessanterweise gibt es am höchsten Punkt keinen markanten Felsriegel, vielmehr ist die Škarmanka ein relativ großes Plateau mit einem Rastbankerl in der typisch tschechischen Bauweise. Nach der Pause musste ich mich mangels Hinweisschild erst einmal etwas orientieren, bevor ich den richtigen Weiterweg fand, nämlich hinter dem am Boden liegenden Baumstamm in den Wald hinein. Die beiden Felsriegel, die in der Karte als Tyrolka bezeichnet werden, ließ ich rechts liegen, während ich zum mit einem Trig-Punkt versehenen und dem gesamten Kamm den Namen gebenden Haltrava zumindest einen Versuch startete, den ich aber nach ein paar Metern durch Heidelbeersträucher mangels Erfolgsaussicht aufgab. Auch hier fehlt derzeit das Hinweisschild (wobei es natürlich auch sein kann, dass ich die beiden einfach übersehen habe. Wieder vorhanden ist es aber dann an der Kreuzung Pod Haltravou, wo es rechts grün markiert nach Jindřichová hora und links gelb markiert nach Díly geht. Ich war aber an keinem der beiden Orte interessiert (im Falle von Jindřichová hora noch nicht) und ging deshalb geradeaus weiter. Der nächste Felsriegel lässt nicht lange auf sich warten und ist der Größte auf dem Kamm. Deshalb hat Sádková skála auch den Status eines Naturdenkmals und einen markierten Pfad zum höchsten Punkt, auch wenn dieser derzeit an einer Stelle hübsch zugewachsen ist. Er war aber gerade noch passierbar, so dass ich zu einigen Fotos vom Felsriegel selbst kam, während das Panorama vom höchsten Punkt aus wieder nur aus Baumwipfeln bestand. Auf den von Eva Krötz empfohlenen kleinen Gratspaziergang zu einem Aussichtspunkt südlich davon verzichtete ich, weil ich nicht genau weiß, wie es bei Naturdenkmälern mit Wegegebot aussieht. Stattdessen stieg ich wieder zum Hauptweg ab und ging weiter, jetzt mit gelber Markierung, zum Sádek, auf den ein Skilift führt, weshalb das Gipfelplateau mit im Sommer geschlossener Infrastruktur bebaut ist. Über die Piste hinweg hat man ordentliche Aussicht nach Nordosten, im Hintergrund glaube ich Stříbro erkannt zu haben, während sich Plzeň wohl hinter ein paar Hügeln und im Dunst versteckte. Nach den Fotos machte ich mich an den Abstieg zum Denkmal für Jindřich Šimon Baar, einem Heimatdichter, der in Klenčí pod Čerchovem gelebt und das Leben der chodischen Bauern zum Hauptthema seiner Literatur gemacht hatte. Auf diesen knapp 4 Kilometern kam mir der einzige Wanderer des Tages entgegen, ansonsten sah ich Menschen nur bei der Einkehr und in den Dörfern. 150 Meter östlich des Denkmals, dessen Aussicht Richtung Šumava bei weniger Dunst ziemlich grandios sein dürfte, steht das Hotel-Restaurace Výhledy, wo ich freudigst bewirtet wurde, während der Kiosk am Denkmalparkplatz geschlossen war. Freudigst deshalb, weil ich so viel tschechisch sprach, wie ich konnte, was die gesamte Bestellung sowie den Bezahlvorgang bedeutete. Es sind oft diese kleinen Gesten, die im Ausland den Unterschied zwischen mürrisch-wurschtiger und herzlicher Behandlung durch das Gastronomiepersonal (und andere Einheimische) machen. Es war auch keine Überraschung, dass die Qualität des Schnitzels und des Bieres voll den in Böhmen gewohnten hohen Standard erfüllte. Eine Stunde später machte ich mich auf die letzte Etappe zurück nach Nová hut‘. Zunächst ging es parallel zur Hauptstraße von der Grenze nach Capartice. Nachdem ich die in einem Lehrpfad erklärten Wiesen von Capartice überquert hatte, ging es im Wald auf einem unmarkierten Forstweg weiter. Ich hätte zwar auf dem Radweg nicht wesentlich viel mehr Strecke nach Stará hut‘ gehabt, aber wie gesagt keine Karte mehr und außerdem die Vermutung, dass dieser Weg noch einige Höhenmeter mehr bedeutet hätte. Beim Betrachten der Onlinekarte bestätigt sich diese Vermutung. Der vorgeplante und von mir auch begangene Weg war hingegen auf den nächsten zwei Kilometern ein ziemliches Abenteuer in Sachen Versumpfung. Teilweise musste ich 20 Meter links oder rechts ausweichen, um nicht total nasse Füsse zu bekommen. Erst ab der querenden Forststraße von Černá Řeka her wurde es wieder besser, auch weil ich hier wieder auf den grünen Weg von Pod Haltravou herunter stieß. Diesem folgte ich bis zum Dorf Jindřichová hora, in dem es auch wieder eine nette Infotafel gibt und ich endlich freien Blick auf den Čerchov hatte. Hier verließ ich wieder den markierten Weg und ging geradeaus zwischen den beiden kleinen Hügeln hindurch nach Stará hut‘, wo ich das vorletzte Apfelviertel mampfte, wegen der Fahrstraße, die den letzten Abschnitt darstellte, die Stöcke an den Rucksack montierte und auch gleich die Autoschlüssel vom Rucksack in die Hosentasche umpackte (nein, nicht in die gleiche wie das Garmin, sondern auf der anderen Seite). Von hier aus waren es noch zehn Minuten vorbei an den hübschen Häusern von Stará hut‘ und ein paar Fotos Richtung Grenze, bis ich nach etwas mehr als neun Stunden Gesamtzeit wieder am Auto ankam.
Auf dem Heimweg füllte ich noch den Reservekanister für meinen Vater und ließ die Abzweigung zu unserem Haus rechts liegen, weil am Abend noch OWV-Stammtisch angesagt war, auf dem ich den Tag mit zwei wohlverdienten Naabecker Hellen ausklingen ließ. Den Test für die Lusenüberschreitung habe ich selbstredend bestanden, diese Tour ist für den ersten AKW-Tag nach dem 15. Juli fest eingeplant. Früher geht aufgrund der absolut sinnvollen Schutzbestimmungen und jahreszeitlichen Wegsperren in den Nationalparken Bayerischer Wald und Šumava nicht, spätestens ab Mitte August könnte es mit der Tageslichtdauer knapp werden.
Schlagwörter: capartice, haltrava, j. s. baar-denkmal, jindrichova hora, klenci, klenci pod cerchovem, mala skala, nemanice, nova hut', novosedelske hut', sadek, sadkova skala, skarmanka, stary herstejn, tyrolka, velka skala, vyhledy