Genussvolle Runde über die Fleischbank
Tour solo, T3+, 14,5 km, 1040 hm, 8 1/4 h, Ausgangspunkt Tölzer Hütte (SZ)
Nach unruhigem Schlaf wachte ich am nächsten Morgen sehr früh auf – und erblickte aus dem Fenster die Vorbereitung des Sonnenaufgangs. Das Fensterbrett war groß genug, um die Kamera aufzulegen, so dass auch acht Sekunden Belichtungszeit für das erste Foto kein Problem waren. In diesem Sinne ging es die nächste Stunde weiter, bis die Sonne sich endlich hinter der Schreckenspitze erhob. Danach gab es noch eine Stunde Ruhenachschlag und ein Frühstück, ehe ich mich doch bereits zwanzig vor neun auf den Weg machte, ich war schließlich zum Wandern gekommen und nicht nur für etwas Sonnenbeobachtung.
Dieser Weg führte mich erst einmal zum Marterl und dann hinunter Richtung Baumgartensattel. Hierbei wird zunächst die von der Hütte aus sichtbare Flanke des Delpsjochs gequert, meistens etwas abschüssig, ordentlich markiert und teilweise auch ein bisserl erodiert. Die Flanke ist steil, also ist Schwindelfreiheit von Vorteil. Richtig haarig wird es aber nicht, nur die letzten 150 Meter sind dann frei von Humus und richtig speckiger, unangenehmer Fels, dabei auch maximal zehn Zentimeter breit. Für mich war das bereits die Schlüsselstelle des Tages, dummerweise musste ich auf dem gleichen Weg wieder zurück zur Hütte… Gleich danach kommt ein kleiner Gegenanstieg zu einer Kante, die durch ein paar Bäume markiert ist. Ab hier wird die Spur wieder etwas breiter, der Hang weniger steil und die gesamte weitere Querung der Südflanke bis hinunter zum Baumgartensattel eine ziemlich lockere Angelegenheit, soweit T3 als locker angesehen werden kann. Ausrutschen und abwärts flattern bleibt trotzdem mehr als unangenehm und sollte vermieden werden, vor allem in den paar Geröllrinnen, die auf den nächsten zwei Kilometern gequert werden. Sprich: Ohne Trittsicherheit lässt man besser die Füße von diesem Steig. Für mich wurde es am Ende noch einmal unangenehm, weil extrem schlammig, und das ausgerechnet in einer kleinen Waldquerung. Nach dieser knickt der Pfad etwas steiler nach unten direkt zum Durchfahrttor des Baumgartensattels, das ich nach knapp eineinhalb Stunden erreichte. Jetzt geht es noch weitere 70 Höhenmeter hinunter zur Baumgartenalm und von dort aus auf einer Fahrstraße hinauf zur Ochsentalalm, wo ich erst einmal den späteren Rückweg begutachtete. Diesen hatte mir Michael am Vorabend empfohlen, die Variante, vom Baumgartensattel aus direkt zum Schönalmjoch aufzusteigen sei aufgrund des bröseligen Karwendelfelses zu gefährlich. Hingegen sah es absolut machbar aus, vom Altjoch aus über die Almwiesen zur Ochsentalalm zurückzukehren, und ich denke, es wäre auch möglich gewesen, vom Schönalmjoch irgendwie den Hang herunterzukommen. Vor der Almhütte war erst einmal Brotzeit angesagt, die erste Hälfte des im „Lunchpaket“ enthaltenen Doppeldeckerbrotes fand ihren Weg in mein Verdauungssystem. Anschließend querte ich den Almboden hinüber zur Nordflanke der Fleischbank, um an ihr entlang zum Sattel zwischen Fleischbank und Hölzelstaljoch aufzusteigen. Auch hier ist die Schlüsselstelle wieder ziemlich am Anfang, eine etwa fünf Meter lange, sehr ausgesetzte und speckige Stelle, die mich im Abstieg wohl vor richtige Probleme gestellt hätte. Ich war so schockiert, dass ich nicht einmal ein Foto gemacht habe. Somit war der Rest der Route geklärt, es würde die Überschreitung der Fleischbank und der Abstieg vom Altjoch. Außerdem stellte ich fest, dass ich in den richtig steilen Abschnitten nur seeeeeeeeeeehr langsam vorankam, irgendwie bin ich das alpine Gelände nicht mehr richtig gewöhnt und von den sanften Mittelgebirgstouren fast schon verweichlicht. Naja, so negativ ist es in Wirklichkeit natürlich nicht, aber ich begann erstmals, leise am Schönalmjoch zu zweifeln. Schließlich war ja wieder Deadline 18 Uhr und ich wollte gerade in dem kritischen Abschnitt am Ende des Wiederaufstiegs zur Hütte keinen Zeitdruck haben. Nach diesem blöden Stück wurde es zwar einfacher, dafür musste ich beim Erreichen eines kleinen Sattels feststellen, dass wieder einmal 50 Meter Höhenverlust bei der Querung des Ostkares der Fleischbank bevorstanden und es danach noch einmal richtig steil würde. Wenigstens war es nicht ausgesetzt oder schlammig, so dass ich zwar langsam, aber ohne ernsthafte Probleme den Sattel erreichen konnte. Mittlerweile war es nach halb eins, der Pfad zur Fleischbank sah noch steiler aus, was mir eine herabkommende Bergsteigerin auch bestätigte, aber ich wollte hinauf. Also machte ich mich Schritt für Schritt auf den Weg nach oben, drehte eine Serpentine nach der anderen und hatte auf einmal das Gipfelkreuz 50 Meter vor mir. Es steht aber nicht am höchsten Punkt, sondern an einem Fleck etwa 15 Meter östlich und zwei Höhenmeter unterhalb, der wohl aus dem Bächental besser einsehbar ist. Es gibt ein Gipfelbuch, das auch in einem guten Zustand, aber in einer Fußballtüte verpackt ist. Kann das bitte mal jemand ändern? Ich habe nix gegen Fußball, war selbst 19 Jahre lang Schiedsrichterin, aber bitte nicht auf dem Berg! Obwohl mindestens eine Person vor mir auf dem Gipfel war, war ich die erste, die sich an diesem Tag eintrug. Die beiden Jungs, die mir auf dem echten Gipfel über den Weg liefen, haben es ebenfalls getan. Letztlich war ich also um 13.10 Uhr am höchsten Punkt, ließ Tina und Gina aus ihrem Aussichtsfach im neuen Rucksack und genoss die nächsten 20 Minuten auf dem Gipfel. Anschließend ging ich einfach geradeaus weiter, überschritt damit die Fleischbank von Ost nach West und war schneller als erwartet an dem Abzweig, an dem der Gipfelpfad in den Höhenweg einmündet, dem ich eine Weile nach Westen folgte. Jetzt ging es fast eben dahin, mal ein paar Zentimeter aufwärts, mal etwas abwärts, meistens durch Latschen und immer in der Nähe des Gratabbruchs, von dem aus man mit gleitfähigen Gliedmaßen zur Ochsentalalm hinunterschweben könnte. Ich bin aber nicht damit ausgestattet, also blieb mir nichts anderes übrig als in den Latschen zu bleiben, den Abzweig hinunter zur Fuggerangeralm und ins Rißtal links liegen zu lassen und geradeaus Richtung Schönalm weiterzumarschieren. Jetzt geht es wieder etwas bergauf, dann wieder bergab, immer kurvig durch Latschen, mal etwas ausgesetzter, mal weniger, vorbei an dem in den Fotos markant erkennbaren letzten Gratgipfelchen, bis ein kleiner Grasgupf mit Höhenverlust links umgangen wird. Danach macht die Flanke einen Linksbogen um einen Kessel und es ginge weglos geradeaus hinauf zum Schönalmjoch. Dieser Bereich nennt sich Altjoch und ist der Punkt der Entscheidung: Noch mal 90 Höhenmeter hinauf oder direkter Abstieg. Es war mittlerweile fast halb drei, ich hatte also noch keine echte Zeitnot, aber auch nicht mehr allzu viele Reserven. Ich entschied mich für die bequeme Lösung, also den Abstieg zur Ochsentalalm. Der Hang war schon seit ein paar Tagen nicht mehr beweidet, also ziemlich trocken und dadurch sehr angenehm zu gehen. Ich habe allerdings nicht die optimale Route gewählt, denn zwischendrin musste ich durch ein kleines Sumpfgebiet. Das war aber nicht weiter schlimm und ich war nach nicht einmal einer halben Stunde unten bei der Almhütte und konnte den restlichen Weg mit ausreichendem Zeitpolster in Angriff nehmen. Kurz vor der Hütte wurde ich noch von einem Murmeltier entdeckt und verpfiffen, aber es war leider besser versteckt als ich und meine suchenden Blicke waren vergeblich. Beim Abstieg zur Baumgartenalm waren die Lichtverhältnisse jetzt deutlich besser für Fotos als beim Aufstieg, dafür beim Aufstieg zur Hütte etwas schlechter. Mittlerweile war das Almpersonal fleißig beim Demontieren von Abgrenzungen, ihre Rufe hallten durch das gesamte Tal. Der Sumpf im Wald war genauso unangenehm wie beim Abstieg, die Querung der Südflanke überraschend wenig anstrengend, die Gämsen vom Vormittag hatten sich etwas nach unten verzogen, nur bei der Rast auf der kleinen Kante vor der Schlüsselstelle schlotterten mir auf einmal heftigst die Knie. Ich habe den letzten Kilometer trotzdem geschafft und war fast genau um 17 Uhr wieder auf der Hütte. Dort legte ich mich erst einmal eine Dreiviertelstunde hin, bevor ich mir zum Bergsteigeressen einen Liter Teewasser bestellte, der – richtig – wieder mit einem Beutel Rooibos aromatisiert wurde und verschwand bald nach dem Essen in mein Lager, das ich in dieser Nacht für mich alleine hatte.
Eine Bemerkung noch zum Lunchpaket: Ich weiß, wie umständlich die Anlieferung für die Hütten ist, aber für ein sogenanntes Lunchpaket bestehend aus zwei eher kleinen Scheiben Brot mit vier Scheibchen Salami und drei Scheiben Käse plus einem Apfel und einem ziemlich ekligen Müsliriegel fünf Euro zu verlangen halte für etwas überzogen. Genauso drei Euro für einen Liter heißes Wasser. Die Tölzer Hütte ist an sich nicht schlecht, ich habe aber auf anderen Hütten ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis erlebt.
Schlagwörter: achenkirch, altjoch, baumgartenalm, baumgartensattel, delpshals, fleischbank, ochsentalalm, tölzer hütte